Schweinehunde / Roman
Versprechen zu halten war, musste er ein paar Stunden später erfahren. Anni Staals Misstrauen war beinahe mit den Händen zu greifen, als sie ihm in der Bar des Restaurants Andrikken im Zentrum von Kopenhagen gegenübersaß.
»Dass Sie über Chelsea Bescheid wissen, beeindruckt mich nicht im Geringsten. Diese Information könnten Sie sich auch anderweitig beschafft haben. Außerdem heißt das ja nicht, dass wirklich Sie mir die Mails geschickt haben. Und auch Ihre Filmschnittreste überzeugen mich nicht.«
Sie hielt den USB-Stick hoch, den er ihr gegeben hatte.
»Auch die könnten Sie von Ihren Unterstützern zugesandt bekommen haben, aber natürlich werde ich mir das Material anschauen. Ich sollte Ihnen wohl sagen, dass ich nicht viel auf Ihre luftigen Behauptungen gebe, die Polizei habe das alles frei erfunden. Erik, ich glaube Ihnen nicht. Vielleicht hat man Sie selbst in die Irre geführt, vielleicht lügen Sie ganz bewusst, wer weiß? Ich kann Ihre Rolle in diesem Verwirrspiel jedenfalls nicht durchschauen. Ich weiß nur, dass Sie nichts gesagt haben, das mich veranlassen würde, meinen Artikel zurückzuhalten.«
Anni Staal genoss die Situation. Es gab keinen Zweifel, dass sie alle Asse in den Händen hielt und der Mann nichts von Konrad Simonsens Klausel wusste. Vielleicht konnte sie so noch etwas mehr herausschlagen, wenn der Mann denn etwas zu bieten hatte.
»Ich habe es eilig. Wir nähern uns der Deadline, und es nützt ja nichts, dass wir hier herumsitzen und die Zeit totschlagen, denn die Rädchen drehen sich weiter. Sagen Sie mir erst einmal, woher Sie mein Interview haben. Das will ich wissen.«
Erik Mørk war der Druck anzusehen, der auf ihm lastete. Dass er Anita Dahlgren nicht verriet, beruhte lediglich auf der Tatsache, dass er bei all der Aufregung ihren Namen vergessen hatte. Ausnehmend gut erinnerte er sich hingegen an den Namen der
Dagbladet
-Sekretärin, die ihn etwas später mit dem gleichen Anliegen angerufen hatte, ohne jedoch im Besitz des Interviews zu sein. Anni Staal war über den Namen verwundert. »Sieh an, sieh an. Jetzt zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung – was können Sie mir anbieten? Sie behaupten, ich sei betrogen worden, aber Sie haben nicht einen Beweis für Ihre Behauptung. Ich hingegen habe zahlreiche Bestätigungen, von den verschiedensten Quellen. Versetzen Sie sich doch einmal in meine Position. Haben Sie etwas oder nicht? Also los, Erik, jetzt oder nie.«
Tief in seinem Inneren hatte er die ganze Zeit über gewusst, dass es so enden würde.
»Wenn ich Ihnen ein Interview mit dem Mann besorge, der die Hinrichtungen ausgeführt hat, warten Sie dann mit dem Abdruck des Gesprächs mit dem Hauptkommissar, bis Sie gehört haben, was dieser Mann zu berichten hat? Er weiß auch, was mit dem Geld geschehen ist, und wird es beweisen können.«
»Ein Interview mit dem Mörder? Das wäre schon etwas.«
Er antwortete nicht. Sie schien nicht die Spur von Angst zu haben.
»Einen Tag, ich verschiebe das Interview um einen Tag, ich will dafür heute Abend noch eine konkrete Verabredung und dann morgen dieses Interview mit dem Mörder führen. Höre ich nichts bis zum Ablauf Ihrer Frist, landet die Raubmordgeschichte unverzüglich auf unserer Homepage. Und noch etwas: Der Henker selbst soll mich anrufen, und Sie können davon ausgehen, dass ich ihn testen werde. Verstanden?«
Erik Mørk hatte alles mitbekommen. Der Barkeeper brachte ihnen ein paar Drinks, die sie nicht bestellt hatten. Ein Geschenk eines Kunden, der die Journalistin wiedererkannt hatte. Anni Staal trank einen Schluck und prostete einem älteren Mann mit Glatze zu, der sie leicht angetrunken anlächelte. Auch Erik Mørk erhob abwesend sein Glas und sagte: »Er spricht nur mit Ihnen, wenn Sie keine Polizei einschalten.«
»Denken Sie doch mal nach. Das ist doch wohl bei jedem Mörder so. Ich höre von ihm, Erik, sagen wir um elf auf meinem Handy?«
Sie kippte den Drink hinunter, packte ihre Zigaretten in die Handtasche und glitt überraschend elegant vom Barhocker. Auf dem Weg nach draußen küsste sie dem Mann schmatzend auf seine hohe Stirn, so dass der Abdruck ihrer roten Lippen deutlich zu erkennen war. Erik Mørk fand es absurd, aber der Mann lachte herzlich und sah dabei aus wie ein Schwein.
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A uf dem Rückweg von Odsherred trommelte Konrad Simonsen den inneren Kreis seiner Mitarbeiter zu einer nächtlichen Besprechung bei sich zu Hause zusammen. Nur Poul Troulsen fehlte, der nach
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