Schweinehunde / Roman
wenn er anruft und einen anderen Treffpunkt vorschlägt. Das würde ich tun«, wandte Arne Pedersen ein.
»Du kriegst das Überwachungshandy, in so einem Fall müssen wir eben improvisieren, aber ich weiß, dass er sich da oben im Wald versteckt, bis sie sich treffen. Der Wald ist sein bester Freund und sein ärgster Feind.«
Dieses Mal war sogar Arne Pedersen beunruhigt.
Konrad Simonsen hingegen saß seelenruhig im Brennholzschuppen. Ohne Eile aß er seine Leberwurstbrote und spülte sie mit einem großen Schluck Wasser aus seiner Feldflasche herunter. Kaffee und Frühstückszigarette musste er sich verkneifen, was sich als leichter erwies, als er befürchtet hatte. Sein Körper kribbelte angenehm vor Anspannung, als er seine Dienstwaffe aus der Tasche holte. Er hatte sie seit Jahren nicht mehr getragen, weshalb er etwas Zeit brauchte, den Schulterriemen an seinen neuen Körperumfang anzupassen. Dann klingelte sein Handy.
Es war halb neun, und Arne Pedersen hatte eine Telefonkonferenz eingerichtet, er war gut zu hören: »Ich stehe auf einem Parkplatz nicht weit von Korsør. Nichts Neues von Anni Staal, abgesehen davon, dass sie noch nicht losgefahren ist. Ich hoffe nur, dass sie nicht doch einen anderen Treffpunkt vereinbart haben, zum Beispiel Valby, denn dann würden wir in die Röhre gucken. Ich habe mir übrigens einen Audi geliehen, ein tolles Auto. Ich schalte jetzt zu euch und bin gespannt, ob ihr mich hört.«
Die Comtesse antwortete. Sie flüsterte, aber auch sie war gut zu verstehen: »Bücherwurm hier, ich höre dich ganz ausgezeichnet, Audi. Ich lese Zeitung und habe einen super Blick auf die Bäckerei, das ist aber auch alles. Mein einziges Problem ist die Bibliotheksaufsicht, so dass ich die Kommunikation auf ein Minimum beschränken muss, wenn sie im Lesesaal ist.«
Jetzt war Konrad Simonsen an der Reihe. Er hatte sein Handy zwischen zwei Brennholzsäcken dicht an seinem Kopf eingekeilt, damit er die Hände frei hatte. Seine Mitteilung war kurz.
»Ich höre euch, aber konzentrieren wir uns jetzt.«
»Ich kann mich nur auf eine halbleere Autobahn konzentrieren. Was machst du gerade, Konrad? Brauchst du nicht auch einen Codenamen?«, antwortete Arne Pedersen.
Er grinste. Die Comtesse antwortete noch immer flüsternd: »Ich denke, wir sollten ihn Nimrod nennen.«
Sie lachte nicht, ebenso wenig wie Konrad Simonsen, der kurz angebunden erwiderte: »Ich arbeite, und jetzt lasst das Geschwätz.«
Sie schwiegen.
Konrad Simonsen war auf der Jagd. Langsam, methodisch und konzentriert suchte er mit seinem Fernglas den Waldrand ab und hielt nach seiner Beute Ausschau. Die kräftigen Herbstfarben machten es leicht, die einzelnen Bäume zu unterscheiden, sein ganzes Blickfeld strahlte durch die hinter ihm stehende blasse Sonne rötlichgelb, orange und grün. Ein paar Bäume hatten bereits ihre Blätter verloren und strukturierten die Palette wie Hexenfinger mit ihren schwarzen Ästen und kahlen Zweigen. Sobald sich eine der wenigen Wolken vor die Sonne schob, änderte der Wald seinen Charakter und wurde zu einem undurchsichtigen Massiv, gleichförmig und kompakt. Es dauerte aber selten länger als eine Minute, bis die Sonne wieder zum Vorschein kam. Simonsen nutzte diese Momente, um mit dem Fernglas die Hauptstraße oder die wenigen frei stehenden Bäume im Schlosspark abzusuchen. Das Schloss selbst beachtete er nicht.
Viel geschah nicht. Einmal blieb ein Gärtner an einer der kleinen weißen Brücken des Parks stehen und schaute fast zehn Minuten lang in die Luft, als wollte er Wurzeln schlagen. Der Mann war schon älter und vermutlich nicht von Interesse. Trotzdem war Konrad Simonsen erleichtert, als er sich endlich wieder in Bewegung setzte und langsam in Richtung Stadt schlenderte, wo er schließlich verschwand. Eine Zeitlang waren zwei Männer mit Vermessungsarbeiten beschäftigt, aber auch sie waren nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu sehen. Andere menschliche Aktivitäten waren nicht auszumachen.
»Ich hoffe, du sitzt im Trockenen, Konrad.«
Die Stimme der Comtesse klang normal, die Bibliotheksaufsicht schien gegangen zu sein.
»Wie meinst du das?«
»Na wegen des Wetters. Es sieht so aus, als würde es gleich einen kräftigen Schauer geben, meinst du nicht auch? Du hast doch gesagt, du hättest den Überblick, oder habe ich dich da missverstanden?«
Die Comtesse hatte nichts missverstanden, aber Konrad Simonsens Überblick beschränkte sich auf den einen Teil des Himmels. Er legte
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