Schweinehunde / Roman
Grundhaltung zu haben. Die meisten finden es überdies peinlich, bei einer Lüge ertappt zu werden, aber auch da entsprechen Sie nicht der Norm. Pauline kann Ihnen ein Beispiel nennen.«
Pauline Berg war wieder die Vorleserin, wobei sie dieses Mal etwas anders vorgehen musste, da sie eine Synthese aus zwei Berichten vorzutragen hatte.
»Erstes Verhör:
›Sie sind Witwer, sagen Sie. Wie lange schon?‹
›Klara wurde vor achtzehn Jahren überfahren, einfach so, als wir einkaufen waren, sie wurde auf dem Bürgersteig von einem besoffenen Autofahrer plattgemacht. Wir gingen Hand in Hand, aber ich hatte hinterher nicht einen Kratzer. Der junge Typ, der am Steuer saß, bekam vier Monate auf Bewährung. Anderthalb Jahre später hat er den Nächsten totgefahren. Ein vierjähriges Kind. Auch wieder besoffen. Heute ist er Vizedirektor eines großen Pharmaunternehmens.‹
«
»Zweites Verhör. Ich beginne irgendwo mittendrin:
›… hat sich herausgestellt, dass Ihre Frau, oder genauer gesagt, Ihre Ex-Frau, gar nicht tot ist. Sie heißt heute Klara Persson, wohnt in Malmö und erfreut sich bester Gesundheit. Wie können Sie sich das erklären?‹
›Ein bisschen tot sind diese Ex-Frauen doch immer.‹
›Warum erzählen Sie uns einen solchen Blödsinn?‹
›Da muss wohl die Situation mit mir durchgegangen sein.‹«
Konrad Simonsen übernahm: »Das ist nur eine von vielen Räuberpistolen, die Sie uns aufgetischt haben: das Blutgerinnsel in Ihrem Bein, Ihre Anstellung hier in der Schule seit 1963, Ihre regelmäßigen Besuche bei Ihrer Schwester in Tarm und Ihre drei Verurteilungen wegen Brandstiftung. Außerdem behaupten Sie, Alkoholiker zu sein. Was das angeht, will ich bis auf weiteres mögliche Zweifel zu Ihren Gunsten deuten, das Gleiche gilt für den Besuch bei Ihrer Schwester in der letzten Woche, auch wenn es das erste Mal seit acht Jahren war, dass Sie dort waren.«
»Mein Gott, wie die Zeit vergeht.«
Konrad Simonsen ließ die Ironie an sich abprallen.
»Ihre Reise ist für uns von großer Bedeutung, und Sie können sich sicher sein, dass wir sie bis ins kleinste Detail untersuchen werden.«
»Intercity vom Hauptbahnhof, Dienstagmorgen um 8.00 Uhr, der Zug hieß
H. C. Andersen
. Zurück mit dem Bummelzug von Tarm Trinbræt, Freitagmorgen 9.24 Uhr, dieser Zug hieß
Fætter Guf
.«
»Herzlichen Dank, aber wir kommen ohne Ihre Hilfe aus, Ihre Glaubwürdigkeit ist so ziemlich am Boden. Womit ich nicht sagen will, dass Ihr schluderiger Umgang mit der Wahrheit unbedingt etwas zu bedeuten hat. Die meisten Menschen lügen hin und wieder. Ein imaginäres Examen, das das Ego ein bisschen aufbessert, oder ein bisschen Farbe, um ein graues Leben aufzufrischen. Aber das sind Kleinigkeiten, die man vergeben kann. Ihre Lügen haben hingegen eher den Charakter von Mythomanie, aber sollte das so sein, haben Sie sich diese Krankheit nur für diesen Tag angeeignet. Das übrige Personal der Schule kennt Sie nämlich nicht als chronischen Lügner. Eher im Gegenteil, was mich wieder zu der Frage bringt: Warum? Was bezwecken Sie damit? Sollte es einen vernünftigen Grund dafür geben, erschließt sich mir dieser zum jetzigen Zeitpunkt nicht, weshalb ich morgen gerne noch einmal mit Ihnen reden würde. Ich erwarte Sie morgen um 14.00 Uhr hier in der Schule, dann fahren wir gemeinsam nach Kopenhagen. In der Zwischenzeit graben wir Ihr Leben um, vielleicht taucht dabei ja etwas auf, das Ihr Verhalten erklärt. Seien Sie so nett und kommen Sie nüchtern, andernfalls müssten wir Sie zur Entgiftung zwangseinweisen.«
»Bekomme ich keine Terminkarte wie beim Zahnarzt?«
»Nein, das haben wir nicht nötig. Wenn Sie keine relevanten Informationen mehr haben, wären wir damit am Ende.«
»Das war alles? Das ging ja schnell.«
»Wie gesagt, mir war es in erster Linie wichtig, Sie einmal kennenzulernen.«
»Ja, dann herzlichen Dank für die Pizza.«
»Mir war gar nicht bewusst, dass wir Ihnen etwas zu essen gegeben haben, aber egal, lassen Sie es sich schmecken.«
Konrad Simonsen stand auf, ließ den Mann aber nicht aus den Augen.
»Ach ja, eine Kleinigkeit noch, was haben Sie für eine Beziehung zur Geometrie?«
Per Clausens Antwort kam ohne jede Verwunderung.
»Meinen Sie die klassische Elementargeometrie oder die analytische Geometrie?«
»Ich weiß nicht, ob ich den Unterschied kenne, ich habe ja nicht Ihre Ausbildung.«
»Oh, das ist ein großer Unterschied, nehmen Sie zum Beispiel den guten alten Gauß.
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