Schweinehunde / Roman
stand auf und zog ihre Sachen an, während er vergeblich versucht hatte, ihr alles zu erklären. Vom Teddyland, in dem die Teddymutter weinte, weil der Teddypapa platt und tot war. Von den Tränen der Teddymutter, die der kleine Teddy zu verantworten hatte, und vom kleinen Teddy, der ihre Tränen wegküssen musste … vom kleinen Teddy, der sie trösten musste, in den schrecklichen, endlosen Nächten.
Maja ging.
Er ebenso. Nur mit einer Badehose bekleidet, verließ er schnellstmöglich den Strand. Wanderte ziellos über die in der Sonne glitzernden Landstraßen, die sich staubig über das Land schlängelten, bis er einfach nicht mehr weiterkonnte. Seine Füße waren rot und geschwollen. Von einem Busch brach er einen Dorn ab und stach seine Blasen auf. Das linderte seine Schmerzen, aber nur die äußerlichen. Innerlich starrte er noch immer mit tausend Augen in all die Nächte, die er auslöschen wollte, eine nach der anderen, doch da half ihm der Dorn nicht. Da half nichts. Er saß irgendwo auf einer Landstraße in einem fremden Land, gedemütigt für seinen Hochmut – für seinen Irrglauben, sein Leben selbst in die Hand nehmen zu können –, während die Zikaden sangen und der Berg in der Ferne sich über ihn lustig machte.
Der gutturale Ruf eines Raben rollte aus dem Wald über die Felder und holte ihn wieder zurück in die Gegenwart. Stig Åge Thorsen schüttelte sich beklommen. Wer wusste, welches Unglück dieser Vogel heraufbeschwor? Dann konzentrierte er sich auf seine Arbeit. Es war seine Aufgabe, das Feuer am Brennen zu halten, das der
Kletterer
auf seinem Feld entfacht hatte, während er selbst in den Ferien gewesen war. In der Glut steckte ein Kleinbus, den er nie gesehen hatte. Er setzte routiniert mit dem Anhänger zurück, bis er parallel zur Grube stand, so dass er die Kohlensäcke und Meterholzstücke direkt ins Feuer werfen konnte.
Der Kompressor war ausgegangen. Er füllte Benzin nach und startete ihn wieder. Sie hatten Lüftungskanäle unter der Grube ausgehoben, und als der frische Sauerstoff in die Glut strömte, loderten gleich wieder die ersten Flammen auf. Er kletterte auf den Anhänger und warf das Brennmaterial in die Grube. Die Hitze wurde immer stärker, und er begann zu schwitzen. Per Clausens Berechnungen sagten, dass die Glut eine Temperatur von 2200 Grad erreichen sollte, Eisen schmolz bei 1500 Grad und Stahl bei 1800 Grad, so dass kaum noch etwas zu finden sein würde, wenn die Polizei kam. Aber Berechnungen waren die eine Sache, die Wirklichkeit eine andere: Diese Lektion war ihm in der Fremde ein für alle Mal eingehämmert worden.
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8
K onrad Simonsen war erschöpft. Arbeitstage, die nie zu Ende gingen, waren eine Pestilenz, und je älter er wurde, desto schwerer fiel es ihm, konzentriert zu bleiben, wenn sich die Überstunden ins Unerträgliche steigerten. Wenn er von irgendwem erwartete, den Überblick zu haben, dann von sich selbst, er musste die Leitlinien vorgeben, doch manchmal entglitt ihm die Situation und tauchte in einen diffusen Nebel ab – eine Tatsache, die er sich nur schwer eingestehen konnte. In diesen Situationen brauchte er ungewöhnlich viel mentale Energie, um den Schein zu wahren und so zu tun, als wäre alles genau geplant und als wüsste er exakt, was im Laufe der nächsten Stunde geschehen musste oder was er vor einer Stunde gesagt hatte. Dieses Schauspiel machte ihn mürrisch und wenig umgänglich. In Wahrheit sehnte er sich nach einem weichen Sessel, einem guten Buch und vielleicht ein paar Tomatenbroten, bevor er ins Bett ging. Dann kam ihm in den Sinn, dass er nicht eingekauft hatte und das auch kaum mehr schaffen würde. Er unterdrückte ein Gähnen und konzentrierte sich auf den Mann, der vor ihm saß.
Per Clausens Erscheinung war auf den ersten Blick ungepflegt. Er trug einen verwaschenen Overall über einem schmutzigen Sweatshirt. Einen Schnürsenkel seiner Schuhe hatte er durch ein Stück Stahldraht ersetzt. Seine strähnigen, dunkelblonden Haare waren kurz geschnitten und brauchten dringend etwas Shampoo. Sein Gesicht wurde von den scharfen Zügen und den etwas vorstehenden Wangenknochen dominiert, und seine Haut wirkte gelb und müde. Aber Konrad Simonsen hatte in seinem Leben genug verkommene Menschen gesehen, um Pauline Berg recht zu geben. Die heruntergekommene Erscheinung des Mannes musste relativiert werden, seine Zähne waren geputzt, sein Unterhemd sauber, wenn auch mit einem leichten Rotstich infolge eines Fehlers
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