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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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zum Kern seines Anliegens, nämlich Per Clausens Persönlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das Aufnahmegerät, das sie irgendwie zu stören schien, längst ausgeschaltet, woraufhin sie seine Fragen entgegenkommender beantwortete, als wollte sie sein Tun belohnen.
    »Wie gut kennen Sie Ihren Bruder eigentlich?«
    »Das ist eine gute Frage. Wir sehen uns nicht gerade oft, und wenn, dann bin immer ich es, die ihn besucht, abgesehen von letzter Woche, meine ich. Wir schicken uns hin und wieder E-Mails und telefonieren manchmal, aber in der Regel geht es dann um irgendetwas Fachliches, häufig um mathematische Probleme.«
    »Sie helfen ihm in Mathematik?«
    »Leider nein, das ist immer andersherum. Er hilft mir. Per ist der wirklich Schlaue der Familie.«
    »Und wenn Sie Kontakt haben, reden Sie nur über fachliche Dinge?«
    »So gut wie. Vorwiegend Mathematik, Physik oder Statistik, aber es kommt auch mal vor, dass wir über andere Dinge reden, wie Religion zum Beispiel.«
    »Religion? Ist Ihr Bruder religiös?«
    »Nein, im Gegenteil. Ich schon, er nicht.«
    »Und wie sieht es mit persönlichen Dingen aus? Reden Sie darüber denn nicht auch mal?«
    Sie antwortete ihm nicht direkt, fuhr aber mit ihrer Aussage fort.
    »Erst in den letzten Jahren hat Per begonnen, sich für geistliche Fragen zu interessieren. Allerdings in einem sehr weit gesteckten Rahmen. Es geht ihm nicht nur um das Christentum, sondern eher um den Glauben generell, Ethik, Moral, Hass, Liebe, Vergebung und Strafe … solche Dinge.«
    »Ich finde das alles ein bisschen luftig … nein, das ist nicht das richtige Wort. Sagen wir theoretisch …«
    »Nein, nein, ganz im Gegenteil. Per ist immer sehr konkret. Soll ich Ihnen ein Beispiel nennen?«
    »Ja, gerne.«
    »Letzten Donnerstag haben wir über Dämonisierung gesprochen, über Volksmoral und Mitmenschlichkeit. Per setzte bei der großen Anzahl deutscher Flüchtlinge an, die Dänemark nach dem Ende des Krieges 1945 aufgezwungen wurde, also in erster Linie Menschen, die vor dem Vormarsch der Roten Armee im Osten geflohen waren. Nach der Befreiung weigerten die Behörden sich, diesen Menschen medizinische Hilfe zu gewähren, nicht wegen des Ärztemangels oder weil es keinen Bedarf gab, sondern weil diese Leute Deutsche waren. Diese Einstellung hat zahlreichen Menschen das Leben gekostet, darunter viele Kinder, die hätten gerettet werden können.«
    Sie zitierte:
»Wenn man in das nationale Bewusstsein nur fest genug ein ›Wir‹ und ein ›Die‹ einhämmert, akzeptiert der Großteil der Bevölkerung so gut wie alles. Besonders in Zeiten, in denen moralisch keine Gemeinsamkeiten bestehen.«
    »So etwas hat Ihr Bruder behauptet?«
    »Wenn ich mich richtig an seine Worte erinnere, ja. Ich bin natürlich anderer Meinung. Das muss ich doch auch sein.«
    »In meinen Ohren klingt das ein bisschen faschistisch.«
    »Per ist kein Faschist. Ich glaube, er hat politisch überhaupt keine Meinung. Wenn er etwas ist, dann zynisch.«
    »Wir haben ihn als jemanden erlebt, der uns gerne an der Nase herumführt, um es mal positiv auszudrücken. Was sagen Sie zu dieser Eigenschaft?«
    »Das ist richtig. Das hat Per immer schon getan, aber er meint das nicht böse, er macht das nur, um Ihnen zu zeigen, dass er dazu fähig ist.«
    »Und wofür soll das gut sein?«
    »Für nichts weiter, sieht man mal von dem gequälten Lächeln ab.«
    Sie musste selbst grinsen.
    »Hm, interessant. Und über persönliche Dinge? Reden Sie nicht auch darüber?«
    »Nicht direkt.«
    »Wie dann?«
    »Wenn wir das tun, dann nur zwischen den Zeilen.«
    »Ich komme nicht ganz mit. Wie meinen Sie das?«
    Sie dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete.
    »Sie wissen ja sicher, dass Per eine Zeitlang getrunken hat. Er war Alkoholiker, da gibt es wohl keinen Zweifel. Wir haben nie darüber geredet, aber als er nach ein paar Jahren seinen Konsum wieder unter Kontrolle hatte, sprachen wir schon einmal darüber, dass er jetzt wieder ein gesünderes Leben führte.«
    »Eine Art Geheimsprache?«
    »Wenn Sie so wollen, aber eigentlich sind das eher indirekte, kleine Bemerkungen. Natürlich ist das eine reichlich dumme Art, miteinander zu kommunizieren. Man weiß ja nie, ob beide Seiten den Wörtern wirklich gleich viel Bedeutung zumessen, aber das hat sich einfach so entwickelt. Außerdem kommt es wirklich nicht oft vor, dass wir persönliche Dinge ansprechen.«
    »Dann haben Sie keine so enge Beziehung zu Ihrem Bruder?«
    »Das hat vermutlich

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