Schweinehunde / Roman
war.
Pauline Berg saugte den Schluss des Arztromans förmlich in sich auf. Die jüngste Mitarbeiterin der Mordkommission hatte sich abgesetzt, um ihre Frühstückspause in ihrem Lieblingscafé am Bahnhof zu verbringen.
Wie alle anderen in der Abteilung hatte auch sie einen geheimen Zufluchtsort, wo sie sich hin und wieder eine halbe Stunde Auszeit von Mord und Totschlag und der dunklen Seite des menschlichen Wesens gönnte. Jedenfalls glaubte sie, dass sie diesen Ort vor den anderen geheim gehalten hatte.
Die Comtesse hatte schon vor einiger Zeit am gleichen Tisch Platz genommen und sich bereits dreimal geräuspert, keine Reaktion. Jetzt legte sie ihre Hand auf die Frauenzeitschrift.
»Hallo, ist jemand zu Hause, oder bist du vollkommen weggetreten?«
Endlich blickte Pauline Berg auf und errötete von einem Ohr zum anderen. Hastig faltete sie das Magazin zusammen und steckte es in ihre Tasche. Die Comtesse tat so, als hätte sie weder bemerkt, was sie gelesen hatte, noch, dass sie rot geworden war.
»Schätzchen, du sollst nach Middelfart fahren.«
»Alleine?«
»Nein, mit mir. Wir haben gerade zwei der Opfer identifiziert. Unseren Herrn Mitte gibt es nicht mehr, an seiner Stelle haben wir jetzt einen Vermögensberater namens Frank Ditlevsen, zweiundfünfzig Jahre alt, aus Middelfart. Und Herr Südwest entspricht dem pensionierten Fabrikanten Jens Allan Karlsen aus Trøjborg bei Århus. Er war dreiundsechzig Jahre alt. Um den kümmert Arne sich. Jens Allan Karlsen wurde im Übrigen gleich doppelt identifiziert. Keine fünf Minuten nachdem wir das Ergebnis des DNA-Tests hatten, kam eine Nachricht vom Skejby-Krankenhaus, dort war er viermal jährlich zur Herzkontrolle, genau wie Arthur Elvang es vermutet hatte.«
»Was fünf Minuten alles ausmachen können.«
»Tja, kann man so sagen. Hast du eigentlich Allan Ditlevsen am Schwarzen Brett in
Herrn Extra
umgetauft? Dann kannst du dich nämlich noch auf eine Moralpredigt von Simon freuen.«
»Nein, das war …«
Als ihr bewusst wurde, was sie sagen wollte, begann sie noch einmal von vorn.
»Ich war das nicht.«
»Gut für dich.«
Der Sünder war Arne Pedersen. Pauline Berg hatte zugesehen, wie er den Namen geändert hatte … und dummerweise darüber gelacht. Sie wechselte zu einem etwas unverfänglicheren Thema: »Dann war Frank Ditlevsen der Bruder dieses Imbissbudenbesitzers?«
»Genau. Frank ist der große Bruder aus der Turnhalle, Allan der aus der Pommesbude.«
»Ermordet mit einem Baum?«
»Nicht ganz. Die Techniker sind sich ziemlich sicher, dass er mit einem Ast erschlagen wurde, bevor er den Baum auf den Kopf bekam. Aber der endgültige Bericht steht noch aus. Auf jeden Fall hat sich da jemand große Mühe gemacht und ziemlich professionell einen Baum gefällt, aber nicht um ihn zu töten, denn zu diesem Zeitpunkt war Ditlevsen schon tot.«
»Und wofür sollte das dann gut sein«?
»Was weiß ich.«
»Was meint Konrad?«
»Er hat gesagt, du sollst deinen Kaffee austrinken, damit wir loskommen. Die Brüder haben – besser gesagt hatten – die gleiche Adresse in Middelfart. Alle arbeiten mit Hochdruck daran, weitere Informationen zusammenzutragen, wir werden fortlaufend informiert.«
»Gut, dann haben wir ja endlich einen Durchbruch.«
»Sieht so aus, das ist aber noch nicht alles. Wir haben inzwischen ganz gute Fotos von Herrn Nordwest und Herrn Nordost, die heute Abend veröffentlicht werden wenn es uns nicht vorher gelingt, sie zu identifizieren, auf eine etwas schonendere Art und Weise.«
»Wie meinst du das denn?«
»Das sind Simons Worte. Es ist für die Angehörigen ein schrecklicher Schock, mit solchen Bildern ohne Vorwarnung konfrontiert zu werden, aber uns bleibt keine andere Wahl. Wenn da draußen wirklich ein Verrückter frei herumläuft, der Pädophile umbringt, ist die Zeit von entscheidender Bedeutung.«
Irgendwie klangen diese Worte verkehrt in Pauline Bergs Ohren: Es gab Menschen, die sie lieber schützte.
»Ja, das mag wohl stimmen.«
Als die Comtesse das Zögern in der Stimme ihrer Kollegin wahrnahm, reagierte sie überraschend scharf.
»Ich kann doch wohl davon ausgehen, dass auch du dieser Meinung bist, oder? Sonst kannst du wirklich zu Hause bleiben … und ein Versetzungsgesuch schreiben.«
Offiziell hatte sie keine Befugnis, so etwas zu sagen, aber beide Frauen wussten, welches Gewicht die Worte der Comtesse hatten. Pauline Berg stimmte ihr sofort zu.
»Natürlich, klar, zu hundert Prozent.«
Die
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