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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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werden konnten. Dass sie aus menschlicher Sicht viel zu ehrlich war, um in der wirklichen Welt zu bestehen, war zweitrangig. Anni Staal hatte viele Mitarbeiter, denen gerade diese Eigenschaft fehlte. Sogar die Tatsache, dass die junge Frau in der Regel respektlos und mitunter schrecklich belehrend auftrat, konnte sie verschmerzen. An ihren breiten Schultern war schon Schlimmeres abgeprallt.
    Das Fazit lautete, dass ihre Zusammenarbeit ausgezeichnet funktionierte.
    Anita Dahlgrens Timing war perfekt, so dass Anni Staal die Aufforderung, jetzt endlich zur Sache zu kommen, im Hals stecken blieb.
    »Sie haben mich um ein Stimmungsbild in den Gymnasien gebeten. Landesweit ist es heute bei einigen höheren Gymnasialklassen zu einem Unterrichtsboykott gekommen. Stattdessen haben diese Klassen sich mit Problemstellungen beschäftigt, die alle irgendwie mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern zu tun haben. Ein Gesamtüberblick ist kaum möglich, aber ich würde vorsichtig schätzen, dass etwa ein Drittel bis knapp die Hälfte aller Gymnasien betroffen sind. Es gibt dabei aber große geographische Unterschiede, denn dieses Phänomen ist in Kopenhagen und den großen Provinzstädten am stärksten ausgeprägt. Die Aktivitäten sollen Montag fortgeführt werden. Vermutlich in noch größerem Ausmaß, und ich denke, dass dann auch die höheren Klassen der Volksschulen betroffen sein werden. In manchen Fällen war das schon heute so.«
    »Was wollen sie erreichen? Wer steht dahinter?«
    »Die letzte Frage kann man kaum beantworten, es scheint niemand dahinterzustehen. Die Bewegung ist spontan, und der Funke springt von einer Schule auf die nächste über, es gibt aber keinen Zweifel, dass die gestrige Missbrauchsannonce das Ganze in Gang gesetzt hat.«
    Anni Staal nickte.
    »Und natürlich all die Gerüchte über diesen Massenmord. Dabei unterscheiden sich die Aktivitäten der Schüler. An manchen Orten versuchen sie herauszufinden, wie viele Kinder wirklich Tag für Tag diesen Übergriffen ausgesetzt sind, so wie es in der Annonce steht. Andernorts verbreiten sie ihre eigenen Bekenntnisse, während an einigen Schulen Pädophilie als solche thematisiert wird. Auch die Art der Informationsübermittlung variiert: Blogs, Plakataktionen, Hinweise im lokalen Supermarkt, Handzettel, Happenings, Events oder Leserbriefe. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.«
    »Aber verdammt, die müssen doch ein Ziel haben!«
    »Das haben sie an manchen Orten auch, aber wohl nur sehr diffus. Es geht ihnen darum, das Thema Pädophilie auf die Tagesordnung zu setzen, um die Gesellschaft wachzurütteln und zu mehr Einsatz gegenüber solchen Übergriffen zu zwingen. In etwa so. Aber das ist meine Meinung. Je nachdem, wen ich frage, bekomme ich andere Erklärungen.«
    »Wir sind doch alle gegen Pädophilie, das ist nichts Neues, so simpel kann die Botschaft ja wohl nicht sein.«
    Dieses Mal blätterte Anita Dahlgren ohne unnötiges Zögern durch ihre Papiere. Sie hatte sich ein paar Notizen gemacht, die später einmal in einem Artikel Niederschlag finden könnten, sollte sie gebeten werden, etwas zu schreiben. Sie zitierte: »Viele junge Gymnasiasten meinen, ein gemeinsames Ziel gefunden zu haben. In einer Welt, in der es tagaus, tagein nur um die knallharten Anforderungen der Globalisierung an den konkurrenzfähigen Intellekt geht und die Mittelmäßigen rigoros geschluckt werden, ist die leicht verständliche Anti-Pädophiliebotschaft, der sich alle gemeinsam anschließen können, wie ein Geschenk von oben. Von viel weiter oben als dem Kultusministerium. Die Opposition gegen die Welt der Erwachsenen, die – wie sie meinen – jahrelang die Augen vor dem Thema Kindesmissbrauch verschlossen hat, ist offensichtlich und katalysiert das Gefühl, Schulter an Schulter für die gleiche edle Sache zu kämpfen, auch wenn die präzisen Ziele noch recht nebulös erscheinen.«
    Anni Staal nickte nachdenklich. Dann sagte sie: »
Junge Gymnasiasten
ist ein Pleonasmus. Ersetzen Sie
katalysiert
durch
stärkt
und streichen Sie
edle
sowie den letzten Teilsatz. Und Sie müssen Punkte setzen, verdammt. Ich gehe davon aus, dass Sie auch ein paar persönliche Geschichten haben?«
    »Aber klar. Unter anderem von zwei Schwestern am Virumer Gymnasium, wollen Sie sie hören?«
    »Ja.«
    Während sie zuhörte, überprüfte Anni Staal ihre Mails. Normalerweise akzeptierte Anita Dahlgren eine derart herablassende Behandlung nicht, sie wusste inzwischen aber, dass ihre

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