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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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Kirchentreppe nieder oder zündeten Kerzen an, die sie von zu Hause mitgebracht hatten. Es war noch reichlich Zeit, bis die eigentliche Beerdigung begann.
    Erik Mørk versuchte die Wartezeit zu überbrücken.
    »Vor vierhundert Jahren haben sie hier in der Gemeinde zwei Hexen verbrannt.«
    Kletterer
antwortete nicht. Stattdessen blickte er zur Kirche hinüber und musterte den Baum, der vor dem Eingang stand. Er kniff die Augen zusammen, um in der Sonne etwas erkennen zu können. Es war eine Rosskastanie, in der Baumkrone hingen noch die letzten braunen, stacheligen Kapseln, die bald zu Boden fallen würden.
    Erik Mørk fuhr unbeirrt fort: »Sie hatten nachts die Kinder der Bauern entführt und sie zum Hexensabbat geflogen. Nachdem sie gefoltert worden waren, glichen sich ihre Aussagen aufs Wort, und es gab keine Zweifel an ihrer Schuld. Der Pastor setzte sich aber trotzdem dafür ein, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und sie an den Galgen zu bringen, statt sie auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Fast hätte er dadurch Amt und Würden verloren, denn die Gemeinde setzte sich wütend zur Wehr, so dass beide schließlich verbrannt wurden. Vor der Kirche. 1613. Ein Gedanke, der Mut macht.«
    Kletterer
wandte sich ihm zu und wurde persönlich.
    »Du bist ein merkwürdiger Mann, Erik. Es ist doch schade um die Frauen.«
    »Ja, natürlich, aber ich denke nicht an die Frauen, ich denke an die Einigkeit der Menschen, daran, wie sie gemeinsam Front gegen das Böse gemacht haben … daran, was kollektive Angst und Wut bewirken können.«
    Das Gespräch verstummte, weil
Kletterer
keine Antwort gab. Kurz darauf begannen die Glocken zu läuten, und die vielen Menschen verschwanden in der Kirche.
    »Ich bezweifle, dass einer unserer fünf geilen Böcke eine so schöne Beerdigung bekommt«, meinte Erik Mørk.
    »Sechs.«
    »Sechs? Wie meinst du das?«
    »Es sind jetzt sechs. Einer ist noch dazugekommen.«
    Es dauerte eine Weile, bis Erik Mørk verstand, doch als ihm die Bedeutung von
Kletterers
Worten klar wurde, sprang er wütend auf. Ohne Rücksicht auf Diskretion schrie er
Kletterer
an. Ein paar Nachkömmlinge, die an ihnen vorbeihasteten, warfen ihnen besorgte Blicke zu.
    »Sag mal, bist du jetzt vollkommen durchgedreht? Du hast sie doch nicht mehr alle!«
    Kletterer
war ruhig.
    »Beruhig dich. Ich kann dir das erklären, und ich hätte dich auch noch aufgesucht, wenn wir uns nicht hier getroffen hätten. Eigentlich bin ich deshalb gekommen. Die Beerdigung ist mir erst wieder in den Sinn gekommen, als ich hier in der Gegend war.«
    Erik Mørk hörte zu.
    »Du kannst doch nicht einfach wahllos Menschen umbringen.«
    Kletterer
lächelte breit und sagte dann leise: »Allan Ditlevsen, du weißt schon, der Imbissbudenbesitzer, ist am Abend vor der Abfahrt wegen Gallensteinen ins Krankenhaus gekommen. Frank, Allans Bruder, hat einen Ersatzmann besorgt, aber wenn Allan etwas später erfahren hätte, dass sein großer Bruder nicht in den Himmel, sondern in die Hölle gekommen ist, wäre die Polizei doch … na, ja, den Rest kannst du dir denken.«
    Erik Mørk sammelte sich und nickte kurz, während
Kletterer
ihm von dem Imbissbudenbesitzer aus Allerslev berichtete, den es jetzt nicht mehr gab. Anschließend fragte Mørk: »Und Allan Ditlevsen hat keinen Verdacht geschöpft?«
    »Das weiß ich nicht, aber zum einen ist er ja nicht gerade hell im Kopf, und zum anderen hatte er – vorsichtig ausgedrückt – kein gutes Verhältnis zur Polizei. Außerdem habe ich ihn zweimal im Krankenhaus angerufen und mich nach seiner Genesung erkundigt. Ich habe ihm von Sonne und Sommer erzählt, von billigen Drinks und willigen Kindern. Ich habe ihm dabei immer auch Grüße von seinem großen Bruder ausgerichtet, der leider nicht ans Telefon kommen könne, Letzteres stimmte ja sogar.«
    »Warum hast du uns nicht informiert?«
    »Ich hatte Angst, Per könnte das Ganze abblasen.«
    »Hm, na ja, wenigstens bist du ehrlich. Und wofür dieser Aufwand mit dem Baum?«
    »Glaub mir, dieser Beerdigungsstrauß passte perfekt zu ihm.«
    »Kannst du mir keine anständige Antwort geben?«
    »Doch, das war meine Art, mich gegen das Böse zu wehren.«

[home]
32
    D as Netz zog sich langsam, aber sicher um den verlogenen Assistenzarzt zu. Bald reichten die Beweise der drei Frauen aus der Trabantenstadt, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Der Eid, den er als Arzt abgelegt hatte, war falsch, und er hatte sicher keine Gnade verdient, wie schön anzuschauen er auch

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