Schweinehunde / Roman
Eine Frau oder vermutlich eher ein junges Mädchen erklärte ihm kichernd, sie erkenne in einem der abgebildeten Gesichter ihren großen Bruder wieder. Im Hintergrund hörte er Rufen und Gelächter. Ohne zu antworten, drückte er das Gespräch weg, doch schon Sekunden später klingelte sein Handy erneut. Dieses Mal war es ein Mann, der glaubte, dass er einen der Gesuchten im letzten Jahr bei einem Fußballspiel im Brøndby-Stadion gesehen hatte. Er schaltete sein Handy wieder aus und ging zu Arne Pedersens Büro, doch ein Zettel an der Tür bat ihn, es bei Poul Troulsen zu versuchen.
Poul Troulsen hatte das gemütlichste Büro der ganzen Abteilung. In seinem langen Arbeitsleben hatte er sich mit sicherem Blick für Qualität eine Möblierung zusammengesucht, die sein Büro eher wie ein Wohnzimmer als wie einen Arbeitsplatz aussehen ließ. Als i-Tüpfelchen hing in dem Zimmer ein gigantischer Flachbildfernseher, der ursprünglich als Informationsmonitor für die Kantine geplant gewesen war, durch einen äußerst bedauerlichen logistischen Fehler aber an der Wand von Troulsens Büros gelandet war. Ein Arrangement, mit dem alle zufrieden waren, da niemand beim Essen durch unwichtige Nachrichten der Polizeiführung gestört werden wollte. Außerdem hatten sie so einen Ort, an dem sie sich treffen konnten, wenn sie wichtige nationale Sportereignisse mitverfolgen wollten. Und noch dazu in einem gemütlichen Zimmer.
Als Konrad Simonsen das Büro betrat, lag Poul Troulsen auf seinem Sofa und sah sich einen Zeichentrickfilm an, während Arne Pedersen entspannt in einem Sessel saß und in einer Wettzeitschrift las. Keiner der beiden beeilte sich, seine Tätigkeit einzustellen, als ihr Chef kam.
»Was zum Teufel ist denn hier los?«, wetterte Simonsen.
Poul Troulsen schaltete den Fernseher aus und antwortete: »Nichts, abgesehen davon, dass ich mich darüber wundere, warum diese Zeichentrickfilme heute so blutleer sind. Das war zu meiner Zeit noch ganz anders. Im Grunde ist das eine Schande.«
Arne Pedersen legte das Magazin weg und erklärte: »Die Hälfte unserer Mitbürger ist auf die dumme Idee gekommen, die Polizei anzurufen. Unsere Leitung ist zusammengebrochen: Du kannst weder telefonieren noch angerufen werden.«
Konrad Simonsen fragte verwirrt: »Wie das denn?«
»Tja, die moderne Gesellschaft ist in vielerlei Hinsicht angreifbar. Die Hälfte der Mitbürger ist natürlich übertrieben, ein paar tausend reichen schon, um die Telefonkapazität auszuschöpfen, und dabei spreche ich vom ganzen Land. Es ist also nicht nur das HS betroffen. In den Fernsehnachrichten haben sie eben mit einem Telekommunikationsexperten gesprochen, aber das motiviert sicher nur noch mehr Leute, zum Telefon zu greifen.«
»Willst du mir damit sagen, dass auch die anderen Polizeidienststellen nicht erreichbar sind?«
»Mehr oder weniger, das kommt ein bisschen darauf an, aber einen wirklichen Überblick haben wir nicht.«
»Und die Leitung? Ist die informiert?«
Poul Troulsen hatte sich auf dem Sofa hingesetzt.
»Ja, wir haben ihnen gerade einen Brief ins Postfach gelegt«, sagte er sarkastisch.
Konrad Simonsen warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Der Polizeipräsident ist auf einer Konferenz in London, und der Polizeidirektor nimmt an einer goldenen Hochzeit auf Falster teil«, ergänzte Arne Pedersen.
»Somit versucht niemand diesen Wahnsinn zu stoppen?«
»Keine Ahnung, richtig schlimm ist es erst in der letzten halben Stunde geworden. Vor einer Dreiviertelstunde funktionierten die Telefone noch, aber die Wartezeit für Anrufe hier bei uns war absurd lang. Wir waren auch schon unten in der Schaltzentrale …«
Poul Troulsen fiel ihm ins Wort: »Im Callcenter, merk dir doch mal, dass das jetzt Callcenter heißt, die Schaltzentrale war früher, als die Dinge noch funktionierten.«
Konrad Simonsen unterbrach ihn.
»Jetzt hör aber auf, Poul, wenn du keinen vernünftigen Beitrag leisten willst, kannst du auch nach Hause gehen. Red weiter, Arne …«
»Tja, das ist leider schon alles. Außer dass einige der Kollegen die Sache noch verschlimmert haben, indem sie im Internet unsere Durchwahlen und sogar unsere Privatnummern bekanntgegeben haben, aber das hast du ja sicher bereits bemerkt? Du stehst auch auf der Liste, aber Poul, die Comtesse und Pauline haben ein Freilos gezogen. Willst du mal einen Blick auf die Homepage werfen, auf der unsere Nummern veröffentlicht sind?«
Konrad Simonsen schüttelte den Kopf. Poul Troulsen
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