Schweinehunde / Roman
kam mit einem wichtigen Hinweis: »Ich habe uns zwölf Starterpakete für Handys besorgt. Die liegen in Arnes Büro. Tausch deine SIM-Karte aus, Simon, und schreib deine neue Nummer an die Pinnwand.«
»Ein guter Gedanke, aber das mache ich später. Haben die im Callcenter sonst noch was gesagt? Macht es Sinn, noch einmal nach unten zu gehen?«
»Ganz und gar nicht. Die sind vollkommen kopflos und gackern in ihrem Fachchinesisch wie Hühner durcheinander. Dabei sind die in Wahrheit genauso machtlos wie der Rest des Hauses. Das wird erst wieder besser, wenn die Leute aufhören, uns anzurufen.«
»Und wann wird das sein?«
Poul Troulsen zuckte resigniert mit den Schultern. Konrad Simonsens Blick ging zu Arne Pedersen. Auch er wusste darauf keine Antwort und breitete kopfschüttelnd die Arme aus.
»Dann lassen wir alles einfach so laufen?«
Die Frage war rhetorisch. Keiner der beiden Männer antwortete, aber beide wichen dem Blick ihres Chefs aus. Konrad Simonsen blieb eine Weile wortlos zwischen ihnen stehen. Dann ging er unvermittelt hinaus, ohne noch etwas zu sagen.
Erst eine Stunde später war er zurück im Büro, die Stimmung hatte sich, seit er gegangen war, aber kaum verändert. Poul Troulsen blätterte wenig engagiert durch einen Stapel Berichte, während Arne Pedersen sich wieder seinem Magazin zugewandt hatte. Konrad Simonsen brachte Leben in sie, als er sagte: »So, jetzt ist es gleich überstanden. Wir können damit rechnen, dass die normalen Verbindungswege im Laufe von ein oder zwei Stunden wieder frei sind. Nutzen wir die Zeit, um herauszufinden, wie wir die Hinweise auf die Herren Nordost und Südost auswerten können, wenn wieder seriöse Tipps eingehen. Wir sollten wohl mindestens mit einem zusätzlichen Tag rechnen, bis wir dieses Chaos beseitigt haben. Und ich will wissen, wie weit wir mit Thor Gran sind. Ihr könnt übrigens wieder eure alten SIM-Karten in die Handys einsetzen.«
Arne Pedersen fragte überrascht: »Was ist passiert? Haben wir es überstanden?«
»Noch nicht ganz, aber allmählich scheint sich die Lage zu normalisieren. Fangen wir mit der Arbeit an?«
Poul Troulsen ignorierte die Aufforderung und schaltete seinen Fernseher ein. Der Newssender zeigte gerade ein nicht mehr ganz aktuelles Porträt von Konrad Simonsen, während eine etwas lispelnde Moderatorin fragte: »Aber stellt es nicht den Ruf der Polizei massiv in Frage, wenn die Menschen auf so eine Idee kommen?«
Trotz der knackenden Telefonleitung war Konrad Simonsens Verärgerung nicht zu überhören: »Entschuldigen Sie, aber verstehen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe? Ihr Geschwätz über unseren Ruf ist mir ziemlich egal, sagen Sie mir lieber, was Sie tun würden, wenn Sie auf dem Nachhauseweg überfallen werden?«
»Ich stelle hier die Fragen.«
»Nein, das stimmt nicht. Bei Ihnen ist eingebrochen worden, Ihr Kind ist verschwunden, Ihr Auto ist von einem Besoffenen zu Schrott gefahren worden. Was tun Sie dann?«
Die Pause war zwei Sekunden länger als normalerweise. Zwei äußerst vielsagende Sekunden, die dadurch verstärkt wurden, dass Konrad Simonsen auflegte und das Interview damit für beendet erklärte.
[home]
41
A m Sonntag brach die Hölle los.
Von der Titelseite des
Dagbladet
wurden die Leser von fünf zum Tode verurteilten Männern angestarrt. Jeder war in der letzten Sekunde seines Lebens abgebildet worden, bis auf einen, der es bereits hinter sich hatte. Die dicke blaue Schlinge um ihren Hals war deutlich zu erkennen. Der Anblick der vor Angst aufgerissenen Augen beflügelte die Verkaufszahlen, und die Auflage war sogar höher, als man sie mit dem größten Skandal im Königshaus erreicht hätte. Von der Redaktion der Zeitung war kein Mitleid zu erwarten, denn die Überschrift bezog bereits deutlich Stellung gegen die Unglücklichen:
Das jüngste Gericht
stand in dicken, schwarzen Lettern unter den Bildern. Die Zeitung war aus diesem gegebenen Anlass um eine achtseitige Beilage mit einer Fotomontage aus den Filmsequenzen von Anni Staal ergänzt worden. Fast alle Bilder wurden unverändert abgedruckt, um den Käufern keines der abstoßenden Details vorzuenthalten.
Anni Staal und der Zeitungsdirektor standen unten vor dem Haupteingang und warteten in dem grauen Nebel. Es war bereits nach neun. Anni Staal versuchte es zum dritten Mal: »Und Sie sind sicher, dass ich nicht mit dabei sein soll?«
Ihr oberster Chef gähnte mit Inbrunst, sie hatten eine lange Nacht hinter sich, und er war
Weitere Kostenlose Bücher