Schweinsgalopp
Dave.
»Ich hab niemanden gesehen«, erwiderte Hühnerdraht. »Ich meine, niemand stand in der Nähe. Katzenauge sprach von Feuer, und eine Sekunde später…«
»Jetzt lutscht er am Daumen!« höhnte Katzenauge. »Ha-ha-ha. Weint und will zu seiner Mami! Du weißt doch, was mit Kindern passiert, die am Daumen lutschen. Ein großes Ungeheuer kommt, mit Scheren und so…«
»Hört endlich auf, so zu reden!« donnerte Mittlerer Dave. »Verdammt, ihr verhaltet euch wirklich wie Kinder…«
Weit oben schrie jemand. Der Schrei dehnte sich und schien dabei näher zu kommen, fand dann ein abruptes Ende und wich einem gelegentlichen Pochen. Es klang wie eine über den Boden hüpfende Kokosnuß.
Mittlerer Dave erreichte die Tür gerade rechtzeitig, um zu sehen wie der Schlosser Braun vorbeischoß. Er war ziemlich schnell und schien seine Bewegungen kaum unter Kontrolle zu haben. Wenige Sekunden später folgte eine Werkzeugtasche, tanzte über die Treppenstufen und platzte auf. Diverse Instrumente sprangen daraus hervor und schienen es ebenfalls ziemlich eilig zu haben, nach unten zu gelangen.
Brauns Geschwindigkeit war vermutlich groß genug, daß er bis nach unten rollte.
Mittlerer Dave hob den Kopf. Zwei Treppendrehungen weiter oben, an der gegenüberliegenden Seite des Schachtes, stand Banjo und beobachtete ihn.
Banjo unterschied nicht zwischen Gut und Böse. Das hatte er immer seinem Bruder überlassen.
»Äh… der arme Kerl muß ausgerutscht sein«, murmelte Mittlerer Dave.
»Oh, ja… ausgerutscht«, sagte Pfirsich.
Er sah ebenfalls nach oben.
Seltsam. Es fiel ihm erst jetzt auf. Bisher hatte der weiße Turm den Eindruck erweckt, von innen her zu glühen. Doch jetzt glitten Schatten über den Stein – und krochen auch durch ihn hindurch.
»Was war das?« fragte er. »Dieses Geräusch…«
»Welches Geräusch?«
»Es klang nach… kratzenden Messern«, sagte Pfirsich. »Und sie schienen nicht sehr weit entfernt zu sein.«
»Hier gibt es nur uns!« erwiderte Mittlerer Dave scharf. »Wovor habt ihr Angst? Fürchtet ihr etwa, von Gänseblümchen angegriffen zu werden? Kommt jetzt… Vielleicht können wir ihm noch helfen…«
Susanne sah sich außerstande, durch die Tür zu gehen. Das Ding widersetzte sich ihren Bemühungen, was dazu führte, daß sie sich den einen oder anderen blauen Fleck holte. Schließlich entschied sie sich, den Knauf zu drehen.
Sie hörte, wie der o Gott nach Luft schnappte, doch sie selbst war an Gebäude gewöhnt, die innen größer zu sein schienen als außen. Passende Ausmaße und Dimensionen hatte ihr Großvater nie richtig hingekriegt.
Der zweite erstaunliche Aspekt waren die Treppen. Sie begannen auf zwei gegenüberliegenden Seiten des großen runden Turms, dessen Decke sich irgendwo in einer fernen, dunstigen Höhe verbarg. Die Stufen bildeten lange Spiralen, die endlos emporreichten.
Susannes Blick kehrte zu dem ersten erstaunlichen Aspekt zurück: einem großen, kegelförmigen Haufen in der Mitte des Bodens.
Er war weiß und glänzte im kalten Licht, das aus den Dunstschwaden herableuchtete.
»Das sind Zähne«, sagte Susanne.
»Ich glaube, ich muß mich übergeben«, ächzte Gallig.
»An Zähnen ist nichts Schreckliches«, erwiderte Tods Enkelin. Tief in ihrem Innern war sie vom Gegenteil überzeugt: Der Haufen sah entsetzlich aus.
»Habe ich vielleicht darauf hingewiesen, daß ich mich fürchte?« fragte der o Gott. »Mir ist nur wieder schlecht, wegen eines Katzenjammers. O weh …«
Susanne näherte sich dem Haufen langsam und vorsichtig.
Er bestand aus kleinen Zähnen. Aus den Zähnen von Kindern. Von wem auch immer sie angehäuft worden waren: Der Betreffende hatte es an Sorgfalt mangeln lassen, denn einige Zähne lagen auf dem Boden verstreut. Susanne trat auf einen davon und schauderte, als sie das leise Knirschen hörte.
Jemand hatte den Haufen mit einem Kreis von Kreidesymbolen umgeben.
»Es sind so viele«, hauchte Gallig.
»Mindestens zwanzig Millionen, wenn man von der Größe eines durchschnittlichen Milchzahns ausgeht«, erwiderte Susanne. Schockiert stellte sie fest, daß sie ganz automatisch antwortete.
»Woher willst du das wissen?«
»Das Volumen eines Kegels«, erläuterte Susanne. »Es wird so berechnet: V = / 3 G mal H, wobei G für die Grundfläche steht und H für Höhe. Frau Anstand hätte bestimmt nicht gedacht, daß mir dieses Wissen an einem solchen Ort mal etwas nützt.«
»Meine Güte… Du hast das im Kopf
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