Schweinsgalopp
Klimpern von Feenglocken? Wen kümmert’s? Der Schneevater ist doch nur ein dicker alter Narr, der den Leuten zu Silvester Selbstgefälligkeit beschert! Habe ich all das für einen Alten durchgemacht, der in Kinderzimmern herumschnüffelt?«
NEIN. DU HAST ALL DAS DURCHGEMACHT, DAMIT MORGEN DIE SONNE AUFGEHT.
»Was hat Astronomie mit dem Schneevater zu tun?«
ALTE GÖTTER KÜMMERN SICH UM NEUE PFLICHTEN.
Der Oberste Hirte nahm nicht am Festmahl teil. Von einem Dienstmädchen hatte er sich ein Tablett aufs Zimmer bringen lassen, wo er sich unterhielt und sich mit all jenen Dingen beschäftigte, die für einen Mann wichtig werden, wenn er sich überraschend mit der Weiblichkeit konfrontiert sieht. So versuchte er, seine Stiefel an den Hosenbeinen zu wienern und die Fingernägel mit seinen anderen Fingernägeln zu reinigen.
»Noch etwas Wein, Gwendolin? Es ist kaum Alkohol drin«, sagte er und beugte sich vor.
»Sehr gern, Herr Hirte.«
»Oh, bitte nenn mich Horatio. Und vielleicht noch etwas für dein Huhn?«
»Ich glaube, es ist weggelaufen«, erwiderte die Fröhlichkeitsfee. »Ich, ich, ich fürchte, ich bin keine sehr interessante Gesellschaft…« Sie putzte sich laut die Nase.
»Oh, dem muß ich mit allem Nachdruck widersprechen«, sagte der Oberste Hirte. Er bedauerte es, daß er keine Gelegenheit gefunden hatte, sein Zimmer aufzuräumen. Insbesondere störten ihn einige peinliche Wäschestücke auf dem ausgestopften Nashorn.
»Alle sind so freundlich gewesen«, sagte die Fröhlichkeitsfee und betupfte ihre tränenfeuchten Augen. »Wer war der dürre Herr, der immer wieder Grimassen für mich geschnitten hat?«
»Der Quästor. Äh… ich schlage vor, du…«
» Er schien recht fröhlich gewesen zu sein.«
»Das liegt an den getrockneten Froschpillen«, erwiderte der Oberste Hirte und winkte ab. »Er schluckt sie haufenweise. Nun, was hältst du davon, wenn wir…«
»Meine Güte. Ich hoffe, sie machen nicht süchtig.«
»Wenn sie süchtig machen würden, hätte er bestimmt längst damit aufgehört, sie zu nehmen«, sagte der Oberste Hirte. »Hier, trink noch ein Glas Wein, und dann… und dann…« Eine gute Idee regte sich in ihm. »Und dann… und dann zeige ich dir Erzkanzler Gedärms Gedenken. Dort gibt es eine… äh… äh… sehr interessante Decke. Sehr interessant, ja.«
»Das wäre schön«, sagte die Fröhlichkeitsfee. »Glaubst du, dieser Anblick würde mich aufmuntern?«
»Oh, da bin ich sicher, ganz sicher«, entgegnete der Oberste Hirte. »Ja, kein Zweifel! Ausgezeichnet! Äh… ich gehe nur… gehe nur schnell… gehe nur…« Er deutete vage in Richtung des Ankleidezimmers, während er von einem Fuß auf den anderen sprang. »Ich gehe nur schnell und… gehe…«
Er floh ins Ankleidezimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Fast verzweifelt starrte er die Regalfächer und Kleiderbügel an.
»Sauberer Umhang«, murmelte er. »Das Gesicht kämmen, Socken waschen, frisches Haar, wo ist die Anstelle-der-Rasur-Lotion…«
Auf der anderen Seite der Tür erklang ein wundervolles Geräusch: Die Fröhlichkeitsfee putzte sich erneut die Nase. Auf dieser Seite ertönte der gedämpfte Schrei des Obersten Hirten, als er sich in Hast und aufgrund eines ziemlich schlechten Geruchssinns das Terpentin ins Gesicht spritzte, mit dem er normalerweise seine Füße behandelte.
Weiter oben stieß ein kleines, dickes Kind – ausgestattet mit Pfeil und Bogen sowie alles andere als aerodynamischen Flügeln – mehrmals gegen ein geschlossenes Fenster, an dem der Frost die Konturen einer recht attraktiven aurientalen Dame hinterlassen hatte. An der rechten Fensterscheibe prangte das Eisbild einer Vase mit Sonnenblumen.
Im Großen Saal war bereits ein Tisch zusammengebrochen. Einer der Bräuche des Festmahls bestand darin, daß jeder Zauberer trotz der vielen Gänge sein kulinarisches Tempo selbst bestimmen konnte – dies sollte verhindern, daß langsame Esser die schnellen Essen aufhielten. Darüber hinaus war es erlaubt, weitere Portionen zu bestellen: Wenn ein Zauberer an einer bestimmten Suppe Gefallen fand, konnte er sie eine ganze Stunde lang genießen, bevor er sich den ersten Vorspeisen der Fisch-Gänge zuwandte.
»Wie geht’s dir jetzt, alter Knabe?« fragte der neben dem Quästor sitzende Dekan. »Nimmst du wieder getrocknete Froschpillen?«
»Es geht, es geht, es geht mir recht gut«, erwiderte der Quästor. »Es war natürlich ein großer, großer, großer Schock,
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