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Schweinsgalopp

Schweinsgalopp

Titel: Schweinsgalopp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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eine Uniform, die nur dann unauffällig wirkte, wenn man sie in einem Nachtklub für unter Drogen stehende Chamäleons zur Schau stellte.
    In der Finsternis stöhnte es.
    Der Rabe räusperte sich.
    »Die Ratte hat diesen Ort vorhin mit einem verlassenen Bergwerk verglichen«, sagte er. »Weil es in verlassenen Bergwerken ebenso knackt und knirscht. Niemand erneuert die Grubenstempel. Dinge stürzen ein. Man kann praktisch von einem Augenblick zum anderen zu einem Schnörkel im Sandstein werden. Anders ausgedrückt: Wir sollten zusehen, daß wir hier rauskommen.«
    Tief in Gedanken versunken, setzte Susanne einen Schritt vor den anderen, ging tiefer in das Knochenschloß hinein.
    Irgend etwas stimmte nicht. Dieser Ort sieht so aus, als wäre er schon seit Jahren verlassen, dachte sie. Und das kann unmöglich der Fall sein.
    Eine weitere Säule knirschte und neigte sich ein wenig zur Seite. Eissplitter rieselten von der Decke herab.
    Natürlich war dies nicht gerade ein normaler Ort. Einen so großen Eispalast konnte niemand bauen. In gewisser Weise ähnelte er Tods Haus. Wenn er es lange genug verließ, setzten sich die Dinge in Bewegung, die er angehalten hatte, zum Beispiel Zeit und Physik. Dann brach eine Art Damm.
    Das Stöhnen in der Finsternis wiederholte sich.
    Es ähnelte den Geräuschen, die das gequälte Eis verursachte. Allerdings fügte gewöhnliches Eis nicht »O weh …« hinzu.
    Eine Gestalt lag in einer Schneewehe. Susanne hätte sie fast übersehen, denn sie trug einen weißen Umhang. Sie streckte alle viere von sich, als wollte sie sich ganz vom Schnee aufnehmen lassen.
    Darüber hinaus trug sie einen kleine Krone aus Weinblättern.
    Die Gestalt stöhnte weiter.
    Susanne sah auf. Auch hier war ein Loch im Dach – aber niemand konnte so tief fallen und den Sturz überleben.
    Zumindest kein Mensch.
    Der Mann wirkte menschlich, und er schien recht jung zu sein. Sein Gesicht hingegen… Selbst im diffusen, vom Schnee reflektierten Licht sah es aus wie Übelkeit, die plötzlich Substanz gewonnen hatte.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte Susanne.
    Der Liegende öffnete die Augen und starrte nach oben.
    »Ich wünschte, ich wäre tot…«, ächzte er. Ein hausgroßes Stück Eis fiel irgendwo in den dunklen Tiefen des Knochenschlosses zu Boden und platzte mit lautem Krachen auseinander.
    »Da befindest du dich vielleicht am richtigen Ort«, meinte Susanne. Sie griff nach den Armen des jungen Mannes und zog ihn aus der Schneewehe. »Ich schätze, es wäre eine gute Idee, den Eispalast zu verlassen. Er ist nämlich auf dem besten Wege, endgültig einzustürzen.«
    »O weh…«
    »Was hältst du davon, wenn du aufhörst zu stöhnen und anfängst zu gehen?«
    »Tut mir leid, aber ich glaube, ich… ich habe zu viele Beine. Au.«
    Susanne gab sich alle Mühe, ihn zu stützen, als sie zum Ausgang wankten.
    »Mein Kopf«, sagte der Mann. »Mein Kopf. Mein Kopf. Mein Kopf. Fühlt sich schrecklich an. Mein Kopf. Fühlt sich an, als schlüge jemand mit einem Hammer darauf ein. Oh, mein Kopf…«
    Der Eindruck täuschte sich nicht. Ein kleiner grüner und purpurner Kobold hockte inmitten der feuchten Locken. Er nickte Susanne freundlich zu, hob einen großen Holzhammer und schlug zu.
    »O weh !«
    »Das war nicht nötig!« entfuhr es Susanne.
    »Willst du mir vielleicht meine Arbeit erklären?« erwiderte der Kobold. »Du kannst es bestimmt besser, nicht wahr?«
    »Ich würde den Hammer sofort beiseite legen!«
    »Jemand muß ihn schwingen«, sagte der Kobold.
    »Es gehört zur Vereinbarung«, erklärte der junge Mann.
    »Ja, genau«, bestätigte der Kobold. »Könntest du vielleicht den Hammer halten, während ich gelben Schleim auf seine Zunge streiche?«
    »Komm sofort von dem Kopf herunter!«
    Susanne streckte die Hand nach dem Kobold aus. Er sprang davon, den Hammer in der einen Hand, und hielt sich mit der anderen an einer Säule fest.
    »Ich gehöre zur Vereinbarung, jawohl!« rief er.
    Der junge Mann rieb sich behutsam die Schläfen.
    »Ich fühle mich schrecklich«, sagte er. »Hast du vielleicht etwas Eis?«
    Daraufhin stürzte das Gebäude ein – es gibt eben Bräuche, die stärker sind als die Gesetze der Physik.
     
    Der würdevolle und sehr beeindruckende Einsturz des Knochenschlosses dauerte eine ganze Weile. Säulen kippten. Dachplatten rutschten. Eis brach und splitterte. Schneedunst und Eiskristalle schimmerten in der Luft über dem Trümmerhaufen.
    Susanne beobachtete das Geschehen von den

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