Schweinsgalopp
Molkerei, einen ausgedehnten Weinkeller, eine Wäscherei, einen Friseurladen, Kreuzgänge und eine Kegelbahn – dann konnte man wohl kaum behaupten, mit anderen Leuten »eingepfercht« zu sein. In dieser Hinsicht hatten Zauberer eine besondere Begabung. Sie konnten sich selbst dann auf die Nerven gehen, wenn sie in den gegenüberliegenden Ecken eines sehr großen Felds standen.
»Seid endlich still!« sagte Ridcully. »Es ist Silvester! Es gibt keinen ungeeigneteren Zeitpunkt für dumme Streitereien!«
»Oh, ganz im Gegenteil«, erwiderte der Professor für unbestimmte Studien verdrießlich. »Es gibt keinen besseren Zeitpunkt dafür. In unserer Familie konnten wir von Glück sagen, wenn wir das Mittagessen ohne eine Wiederholung von Wie-schade-daß-unser-Henry-kein-Geschäftspartner-unseres-Rons-wurde hinter uns brachten. Oder ohne Warum-hat-den-Kindern-niemand-beigebracht-wie-man-mit-Messer-und-Gabel-ißt. Das war ein weiteres beliebtes Thema.«
»Und dann das Schmollen«, sagte Ponder Stibbons.
»Oh, ja, das Schmollen«, bestätigte der Professor für unbestimmte Studien. »Es war kein richtiges Silvesterfest, wenn nicht irgendwann alle stumm an verschiedene Wände starrten.«
»Die Spiele waren noch schlimmer«, meinte Ponder.
»Schlimmer als Kinder, die sich gegenseitig mit ihren Spielzeugen schlugen? An einem richtigen Silvesternachmittag wimmelte es auf dem Wohnzimmerboden bald von kleinen Rädern und Teilen zerfetzter Puppen, Marke ›Körperverletzung inbegriffen‹.«
»Bei uns gab es ein Spiel namens ›Sucht den Pantoffel‹«, sagte Ponder. »Jemand versteckte einen Pantoffel, und wir mußten ihn finden. Und anschließend zankten wir uns.«
»Das ist nicht wirklich schlimm «, meinte der Dozent für neue Runen. »Zumindest nicht auf silvesterliche Weise schlimm. Richtig schlimm wird’s erst, wenn jemand einen Papierhut trägt. Es passiert praktisch immer, daß irgendeine gräßliche Großtante einen Papierhut aufsetzt und grinst, weil sie so unkonventionell ist.«
»Das mit den Papierhüten hatte ich ganz vergessen«, sagte der Professor für unbestimmte Studien. »Meine Güte.«
»Und später schlägt jemand ein Brettspiel vor«, warf Ponder ein.
»Ja. Und niemand erinnert sich genau an die Regeln.«
»Was jedoch keinen davon abhält, um Geld zu spielen.«
»Und fünf Minuten später sprechen zwei Personen für den Rest ihres Lebens nicht mehr miteinander, weil jemand zwei Ankh-Morport-Cent verloren hat.«
»Und irgendein gräßliches kleines Kind…«
»Ich weiß, ich weiß! Ein kleines Kind, das aufbleiben durfte, erweist sich als durchtriebener Ich-lerne-schnell und knöpft allen Leuten das Geld ab!«
»Genau!«
»Äh…«, sagte Ponder, der argwöhnte, selbst jenes Kind gewesen zu sein.
»Und vergeßt nicht die Geschenke«, meinte der Professor für unbestimmte Studien. Er schien von einer nur für ihn sichtbaren Liste des Kummers abzulesen. »Eingepackt sind sie voller Verheißungen und Möglichkeiten. Aber wenn man sie öffnet…, dann stellt sich heraus, daß das bunte Papier ihr interessanter Aspekt war. Und man muß sagen: ›Oh, wie schön, das kann ich wirklich gut gebrauchen.‹ Geschenke zu verschenken ist meiner Ansicht nach kaum besser, als sie zu empfangen – es sind nur weniger Peinlichkeiten damit verbunden.«
»Ich habe mir ausgerechnet, daß ich im Lauf der Jahre zu einem Netto-Exporteur von Silvestergeschenken geworden bin«, sagte der Oberste Hirte.
»Das gilt für uns alle«, sagte der Professor. »Man gibt ein Vermögen für andere Leute aus, und was bekommt man, wenn man das ganze bunte Papier weggeräumt hat? Einen Pantoffel in der falschen Farbe und ein Buch über Ohrenschmalz.«
Ridcully saß stumm da und hörte entsetzt zu. Das Silvesterfest hatte ihm immer sehr gefallen, und zwar in allen Einzelheiten. Er hatte sich darüber gefreut, alte Verwandte wiederzusehen, mit ihnen zusammen zu essen und Spiele wie Jag-den-Nachbarn-durch-die-Gasse und Hurra-fröhlicher-Kesselflicker zu spielen. Er gehörte immer zu den ersten, die einen Papierhut aufsetzten, denn er glaubte, daß Papierhüte festliche Stimmungen besonders gut zum Ausdruck brachten. Die Mitteilungen auf Silvesterkarten las er immer sehr sorgfältig und nahm sich Zeit für ein paar freundliche Gedanken an den Absender.
Den Zauberern bei solchen Bemerkungen zuzuhören… Es war, als würde er beobachten, wie jemand ein Puppenhaus zertrat.
»Aber die Botschaften der Knallbonbons sind doch recht
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