Schweinsgalopp
VERWENDUNG DAFÜR ZU HABEN, ALBERT.
»Vor einigen Schornsteinen sind wir über ein großes, piekfeines Restaurant geflogen…«
TATSÄCHLICH? ERINNERE MICH GAR NICHT DARAN.
»Und ich hatte den Eindruck, daß du länger als sonst unten gewesen bist, wenn du mir diese Bemerkung gestattest.«
GLAUBST DU?
»Auf welche Weise lagen die Dinge Zitat Anfang einfach herum Zitat Ende?«
NUN… SIE LAGEN EINFACH. WIE LIEGENDE DINGE.
»In einer Küche?«
WENN ICH MICH RECHT ENTSINNE, ZEICHNETE SICH DER ORT DURCH GEWISSE KULINARISCHE ASPEKTE AUS.
Albert hob einen zitternden Zeigefinger.
»Du hast das Silvesteressen von anderen Leuten geklaut, Herr!«
ES WIRD GEGESSEN, verteidigte sich Tod. AUSSERDEM HAST DU ES FÜR RICHTIG GEHALTEN, DASS ICH DEN KÖNIG FORTGESCHICKT HABE.
»Ja, aber das war etwas ganz anderes«, entgegnete Albert und senkte die Stimme. »Ich meine, der Schneevater klettert nicht durch Schornsteine, um anderen Leuten das Essen zu stehlen.«
DEN BETTLERN SCHMECKT ES BESTIMMT.
»Nun ja, aber…«
ICH HABE NICHTS GESTOHLEN, SONDERN DINGE… NEU VERTEILT. ES WAR EINE GUTE TAT IN EINER SCHLECHTEN WELT.
»Von wegen!«
NA SCHÖN. DANN WAR ES EBEN EINE SCHLECHTE TAT IN EINER SCHLECHTEN WELT, UND NIEMAND WIRD SIE ZUR KENNTNIS NEHMEN.
»Abgesehen von den Leuten, die jetzt leere Teller vorfinden. An die hast du überhaupt nicht gedacht.«
OH, ICH HABE MICH SEHR WOHL UM SIE GEKÜMMERT. SCHLIESSLICH BIN ICH NICHT VÖLLIG HERZLOS. IN EINEM METAPHORISCHEN SINNE. UND NUN… VORWÄRTS UND NACH OBEN.
»Wir fliegen nach unten, Herr.«
DANN EBEN VORWÄRTS UND NACH UNTEN.
Hier gab es… Wirbel. Binky galoppierte durch sie hindurch und schien sich gleichzeitig überhaupt nicht zu bewegen. Ebensogut hätte er reglos in der Luft hängen können.
»O weh…«, sagte der o Gott leise.
»Was ist?« fragte Susanne.
»Schließ mal die Augen…«
Susanne schloß die Augen. Zwei Sekunden später hob sie die Hand an ihr Gesicht.
»Ich kann noch immer sehen…«
»Und ich dachte, es wäre auf mich beschränkt. Normalerweise ist das der Fall.«
Die Wirbel verschwanden.
Unten erstreckte sich ein Teppich aus grünen Gewächsen.
Seine Farbe wirkte seltsam. Susanne war einige Male über Land geflogen, hatte auch Sümpfe und Dschungel von oben gesehen – ohne daß sich ihren Blicken ein solches Grün dargeboten hatte. Dieses Grün verdiente es fast, als Grundfarbe bezeichnet zu werden.
Und das schnörkelige Etwas…
»Das ist kein Fluß!« entfuhr es Susanne.
»Nein?«
»Es glänzt blau!«
Gallig riskierte einen Blick in die Tiefe.
»Wasser ist blau«, sagte er.
»Unsinn!«
»Gras ist grün, und Wasser ist blau… Daran erinnere ich mich. Es gehört zu den Dingen, über die ich Bescheid weiß.«
»Nun, in gewisser Weise …« Susanne zögerte. Alle wußten, daß Gras grün und Wasser blau war. Oft stimmte es nicht, aber trotzdem galt es als wahr. Mit der gleichen unerschütterlichen Sicherheit wußte man, daß der Himmel blau war.
Susanne ließ sich dazu hinreißen, bei diesem Gedanken aufzusehen.
Oben sah sie den Himmel. Er war blau. Und unten das grüne Land.
Und dazwischen… Nichts. Keine weiße Leere, auch keine schwarze Nacht. Einfach nur… nichts, und zwar überall am Rand der Welt. Wo das Gehirn des Beobachters einen Horizont verlangte, an dem sich Land und Himmel trafen, tastete eine Leere nach den Augen wie die Zunge nach einem hohlen Zahn.
Und dann die Sonne.
Sie stand unter dem Himmel, schwebte über der Landschaft.
Sie war gelb.
Butterblumengelb.
Binky landete im Gras neben dem Fluß. Beziehungsweise auf dem Grün. Es fühlte sich mehr nach Schwämmen oder Moos an. Der Hengst beschnüffelte das sonderbare Gras.
Susanne glitt von seinem Rücken herunter und versuchte, den Blick gesenkt zu halten. Sie starrte auf das leuchtende Blau des Wassers.
Orangefarbene Fische schwammen darin. Sie wirkten nicht ganz korrekt, schienen von jemandem erschaffen worden zu sein, der wirklich glaubte, Fische seien zwei krumme Linien mit einem Punkt und einem dreieckigen Schwanz. Susanne fühlte sich an die Knochenfische in Tods Teich erinnert. Fische, die… ihrer Umgebung entsprachen. Und sie waren deutlich zu erkennen, obgleich das vermeintliche Wasser nicht mehr zu sein schien als ein Farbblock, der eigentlich undurchsichtig sein sollte…
Susanne ging in die Hocke und tauchte ihre Hand hinein. Das Etwas fühlte sich wie Wasser an, doch was durch ihre Finger rann, war flüssiges Blau.
Und plötzlich
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