Schweizer Ware
erkennt. »Gut Baumer. Dann gehen Sie jetzt und bringen Sie mir die Bösen.«
Andreas Baumer nickte. Der Deal zwischen dem jungen Leutnant Schläfli und dem missmutigen Rekruten Baumer stand. Baumer würde am Exerzieren nicht teilnehmen müssen und auch keine Gasalarm-Übungen machen und keine Handgranaten werfen. An dem Tag aber, an dem der Oberst des Generalstabes zu Besuch wäre, um den vielversprechenden Leutnant zu inspizieren, würde auch der anarchische Rekrut stramm stehen und zackig grüßen.
Schläfli nickte auch. Mehrmals. Seine Haltung entspannte sich. Dann drehte er um, ging zum Sitzungszimmer. Im Weggehen wandte er sich nochmals um, zuckte fröhlich mit seinen Schultern. »Ich muss zurück«, rief er zu Baumer und Heinzmann. »Ich habe noch drei Stunden Sitzung vor mir, um den Routinemist zu organisieren.« Er winkte und warf Heinzmann und Baumer ein herzliches »Ciao« zu. Der Regierungsrat öffnete die Tür zum Besprechungszimmer. Ein Stimmengewirr schlug ihm entgegen, das aber sogleich verebbte. Ein letzter Blick zu den beiden Polizisten. Ein Winken mit dem mächtigen Kinn. Dann schloss sich die Tür hinter Schläfli.
»Jetzt musst du aber liefern«, meinte Heinzmann zu seinem Freund.
Baumer blickte seinen Freund an. »Ja, jetzt müssen wir liefern«, dachte er, »und zwar so schnell wie möglich.« Er dachte an Anna und bekam sogleich Bauchschmerzen.
*
Heinzmann ließ einen Espresso (Milch, Extrazucker) aus der Maschine in der Eingangshalle vom Spiegelhof heraus. Dann schob er weitere Münzen in den Geldschlitz bis die Anzeige erneut 1 Franken 20 zeigte. Er drehte sich um und fragte Baumer, der hinter ihm in einen Stuhl gefallen war, welche Art Kaffee er wolle.
»Egal«, würgte Baumer hervor.
»Mann, Mann, Baumi. Dir muss es wirklich dreckig gehen, wenn du nicht mal mehr weißt, was du trinken willst«, versuchte Heinzmann, seinen Freund aufzuheitern, doch dieser antwortete nicht. »Cappuccino oder Espresso?«, insistierte Heinzmann.
»Hm«, knirschte Baumer.
Heinzmann drückte auf »Kaffee mit Zucker«. Sein Kumpel nahm zwar fast nie Zucker, aber er fand, ein paar mehr Kohlenhydrate würden seinem Freund guttun.
»Hier, trink«, sagte er, als er sich in den Stuhl neben Baumer setzte und ihm den Becher mit der heißen Brühe reichte.
Baumer ergriff den Plastikbecher, schaute hinein. Er verzog verächtlich den Mund. Oben auf dem heißen Wasser konnte man noch einige Kristalle des Instantkaffees sehen, die sich nur zögerlich auflösten. Die schwarzbraunen Körnchen mit den öligen Flecken um sie herum sahen aus wie von Torpedos tödlich getroffene Transportschiffe, die ausbluten und in einem spiegelnden Meer untergehen.
»Hhm, fein«, lobte Heinzmann genießerisch seinen Espresso, den er sich in kräftigen Schlucken einverleibte. »Genau das habe ich jetzt gebraucht.«
Baumer sah seinen besten Freund an, wie er mit geschlossenen Augen den letzten großen Schluck des Getränks genüsslich einsog. Dann sah er erneut in seine Brühe. Immer noch führten ein paar Schiffe einen Todeskampf und wollten und wollten nicht untergehen. Also packte er das kleine Plastikstäbchen und rührte den Kaffee brutal um. Diesem Wirbelsturm hatten die angeschlagenen Tanker nichts mehr entgegenzusetzen und gingen unter mit Mann und Maus.
Andi fiel das Stäbchen aus der linken Hand, als er gedankenverloren trank. Zum Glück hatte Heinzmann das nicht gemerkt, sonst hätte er Andi gescholten. Aber er wäre sofort aufgestanden, hätte das Stäbchen unter dem Stuhl hervorgekratzt und in den Abfalleimer getragen.
Nachdem Andi ein paar Schlucke vom braunen Gebräu getrunken hatte, ging es ihm ein wenig besser. Dann erzählte er Heinzmann, was im Konferenzraum vorgefallen war.
Der Wachtmeister hörte zu und schüttelte während der Erzählung immer wieder ungläubig den Kopf. Aber er machte keine Bemerkung, ließ Baumer einfach ausreden. Dann musste er gähnen, trotz des eben getrunkenen Instantkaffees. Das Koffein würde erst später seine Wirkung entfalten, dann, wenn Heinzmann wieder auf der Straße war, bei den Bordsteinschwalben und bei den hypernervösen Fixern. Doch noch war er bei Baumer, seinem Freund, vielleicht seinem Einzigen. Auch der stand am Rande der Gesellschaft und benahm sich, als hätte er einen Schuss ab. Und Heilung gab’s hier keine.
Was tun?
Einen Mörder fangen.
Heinzmann schnalzte. »Nach allem, was du mir erzählt hast, finde ich, dass Schläfli ganz gut reagiert hat.«
Das war
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