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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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spürte. Sie zeigten ihm ohne Zweifel, dass sie es sein musste, die hinter ihm saß.

    Sie.

    Maja.

    Seine große Liebe. Die Frau, die er in seinem Herzen immer mit sich tragen würde.
    »Aber was macht sie hier?«, fragte er sich, sie kann doch unmöglich auch nach Vals wollen ins Hotel Alpina. In dieses Hotel am Dorfplatz mit dem fabelhaften Essen. Dort, wo er sich immer einquartiert hatte, um sich alle paar Jahre beim Wandern und Wellnessen für ein paar Tage zu erholen. Auf den Mahagoniliegen in den kleinen Kabäuschen in der wunderbaren Therme von Zumthor schlummernd, hätte er glücklich sterben können.
    Andi wollte aufstehen, zu Maja hingehen und sie fragen, wohin sie fahre, ob sie mitkomme nach Vals, aber er hatte keinen Mut, sich zu erheben. Er spürte, dass sie nicht bei ihm, nicht mit ihm sein wollte. Und er hatte große Angst, dass er neben ihr diesen Mann finden würde. Diesen Anderen. Diesen. Diesen Martin.
    Sein Oberkörper fiel nach hinten, sein Kopf stieß an die Kopflehne, und er schaute enttäuscht und entmutigt nach oben und sah – es war ein Wunder – direkt in das Gesicht seines Engels. Sie strahlte und lächelte ihn an. Maja, die kleine Maja. Sie hatte sich von der anderen Seite her über die Rückenlehne des Zugsessels gebeugt und schaute von oben auf Andi hinunter. Andi spürte sofort eine alles einnehmende Zuneigung zu diesem Gesicht voller Freude und Glück.
    »Willst du mir nicht Hallo sagen, Andi?«, sprach ihn seine ewige Freundin an. »Jetzt sitzt du allein da, und ich bin doch nur wegen dir hier.« Und Andi zerfloss sofort in Begehren nach dieser Stimme, diesem Gesicht, dieser Frau. Seiner Liebe.

    Unfassbare Schönheit.

    Andi wollte Maja antworten, ihr sagen, dass er sie vermisse, wie nichts auf der Welt, aber er getraute sich nicht zu sprechen. Doch Maja lachte ihn weiter an. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Er wollte fragen: »Bist du heimlich eingestiegen? Willst du etwa mit mir kommen? Du hast doch einen Freund?«, aber er getraute sich nicht, dies auszusprechen. Nicht einmal in diesem Traum. Eine schreckliche Angst nahm ihn gefangen, denn er befürchtete, sie könnte antworten: »Ja. Andi. Ich habe einen Freund. Er heißt Martin und wir fahren zusammen weiter bis nach Rom.«
    Aber Maja strahlte ihn weiterhin entzückt an und sagte zu seiner Überraschung: »Ich liebe doch nur dich, Andi. Dich ganz allein!« Und ihr Gesicht kam näher zu ihm und brachte eine Welle an Glück und Zufriedenheit mit, die sich wohlig in Andis Wesen einnistete, wie eine satte Katze sich schnurrend in eine warme Decke schmiegt.
    »Und was ist mit mir?«, mischte sich plötzlich die alte Helen Amadio-Meier ein, die gegenüber von Andi im Zug saß. »Verlässt du mich etwa?«
    Andi erschrak ob der bösen Unterbrechung und er musterte die alte Frau. Sie saß auf ihrer Sitzbank, ihre kurzen Füße baumelten über dem Boden und das blumige Kleid spannte über ihren Knien. Sie hob ihre Arme. »Wann kommst du endlich mal wieder vorbei bei mir, Andi? Du kommst mich ja so selten besuchen. Ich muss dir etwas sagen.«
    Andi hätte die alte Frau gerne beruhigt, ihr versichert, dass er kommen werde, natürlich, so bald als möglich. Aber er wollte nicht reden mit ihr, wollte nur Maja anschauen, nur sie sehen und nochmals und nochmals hören, dass Maja nur ihn liebte, nur ihn, Andi, ihn, und immer nur ihn und nicht diesen anderen, diesen diesen ….

8
    Am Morgen wachte Andreas Baumer auf und erinnerte sich sogleich in vielen Einzelheiten an den Traum, den er in der Nacht geträumt hatte. Maja war wieder einmal zu ihm gekommen, wie sie es öfter tat in der letzten Zeit. Sie hatte ihn in der Nacht überrascht, als Andi sich nicht wehren konnte, und hatte ihn mit ihrer Liebe überfallen, einer Liebe, die sie im realen Leben nie für Andi empfunden hatte. Mittlerweile spürte Andi bereits im Schlaf, dass an dieser Maja etwas nicht stimmen konnte. Doch natürlich ergab er sich immer den Beteuerungen der geträumten Geliebten, dass er sich irre, dass sie natürlich nur ihn begehre und dass sie nun für immer bei ihm bleiben werde.
    Andi hatte diese hübsche Pariserin, mit der er ein paar Jahre zusammen gewesen war, geliebt – zu sehr geliebt. Seine Zuneigung war eingeschnitten in sein Innerstes, wie ein Herz tief in eine Baumrinde geschnitzt ist und grobe Wunden hinterlässt. Das Holz wächst weiter jedes Jahr und die Narben werden größer. Andi konnte diese Beziehung nicht vergessen, auch wenn die Liebe

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