Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
– eine Tasse behände unter die Ablaufrinnen.
    Baumer musste lachen. Giannis Bewegungen liefen automatisch ab, wie im Schlaf. Ein Zenmeister des Kaffeemachens. Denn während er diesen Espresso machte, scherzte er schon mit dem nächsten Gast, der an seiner Theke stand und die Gelegenheit wahrnahm, ihm stolz von seiner Eroberung in der letzten Nacht zu erzählen.

    Oh là là.

    Als Gianni den fertigen Kaffee zu Baumer brachte, stellte er das Tablett mit der Tasse und dem kleinen Glas Wasser sorgsam auf die Balustrade. Während er es zurechtrotierte, berührte er seinen Gast zärtlich am Oberarm. So machte er es immer, wenn er Baumer seinen Espresso brachte. Es war natürlich eine Geste der Vorsicht. Sie diente dazu, Baumer zu warnen, dass er nicht erschrecke und im Umdrehen den Kaffee umstoße. Aber die Berührung war mehr. Sie zeigte, was Gianni von seinem liebsten Gast hielt, und sie besagte: »Schön, dass du hier bist. Baumi. Ich mag dich. Einfach so.«
    Baumer genoss diesen stillen Moment zwischen ihnen beiden und lächelte Gianni über den Rand der Tasse hinweg an. Gerade als er den ersten Schluck nehmen wollte, hielt der Streifenwagen von Heinzmann auf der gegenüberliegenden Seite an. Der Wachtmeister rangierte ihn halb auf den Bürgersteig, halb auf die Straße. Er stieg aus und ging zu Baumer ins ilcaffè. Sein Beifahrer, der Gefreite Meier, blieb im Wagen sitzen und kramte in ein paar Blättern, die auf einem A4-Brett festgeklemmt waren. Er machte sich Notizen.
    Als Heinzmann ins ilcaffè eingetreten war und zu Andi an das Fensterbrett hintrat, fragte Andi seinen Freund, ob er immer so vorschriftswidrig parkiere.
    »Keine Sorge, Meier dreht gleich eine Runde.«
    Tatsächlich sah Baumer jetzt, wie der Gefreite um den schweren Mercedes ging, auf der Fahrerseite einstieg, den Motor startete und sich vorsichtig zwischen zwei Straßenbahnen in den Verkehr zurückblinkte.
    »Wie geht’s dir heute, Andi?«
    »Gut.«
    Heinzmann lachte. »Ja, das sehe ich. Du scheinst wieder unter die Lebenden zu kommen.«
    Normalerweise hätte Baumer auf die Frotzeleien seines Freundes kaum reagiert, hätte vielleicht gebrummelt und ihm so zu verstehen gegen, dass er seine Späße lassen solle. Aber heute war Baumer wie neugeboren. »Stimmt, Stefan. Mir geht es gut.«
    »Du hast auch ziemlich viel abgenommen. Das steht dir gut.«
    »Es ist nicht das Abnehmen an sich«, entgegnete Baumer und blickte mit gesenktem Kopf auf seine Füße hinunter. »Ich fühle mich tatsächlich wie neugeboren.« Er streckte sich. »Ich habe ja gesehen, was es heißt, abzutreten.«
    Stefan atmete tief ein, wurde nachdenklich.
    »Hhm. Ja«, sagte er. »Dabei hast du ja noch Glück gehabt. Du bist nach dem Schuss einfach in Ohnmacht gefallen. Aber ich war voll da. Das war nicht lustig.«
    »Stefan, ich weiß schon, was du für mich getan hast«, lobte Baumer seinen Freund. Aus den Erzählungen der Ärzte wusste er, dass Stefan ihm schlicht und einfach das Leben gerettet hatte. Stefan hatte bei der Schießerei, bei der Andi eine Kugel abbekommen hatte, Andis Blutung notfallmäßig gestoppt, ihn zu seinem Auto geschleppt und war mit Baumer, der bereits mehr tot als lebendig war, ins Spital gerast. »Du hast mir das Leben gerettet«, wollte Baumer es aussprechen, aber noch bevor er diesen Satz zu Ende gebracht hatte, wischte Stefan diese Schuld mit einem »Bahh«, einem Lächeln und einer wegwerfenden Handbewegung vom Tisch.
    »Nein, nein, Stefan. Es ist schon so. Ohne dich wäre ich jetzt bei den Engeln.«
    »Sonst noch einen Wunsch, mein Freund? Sag’s ruhig, Amigo. Ich bin immer für dich da.« Er schlug seinen Ellenbogen freundschaftlich in Baumers Oberarm, schmunzelte. »Zum Glück hast du jetzt abgenommen, dann habe ich das nächste Mal nicht so einen schweren Sack zu tragen.« Heinzmann drehte sich von Andi weg und zeigte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger auf die Wand neben der Theke. Dort waren mehr als zweihundert verschiedene Espressotässchen aufgereiht. Jedes in eigener Art und mit eigenem Motiv. »He. Schau mal Andi, die vielen Tässchen.« Als sähe er sie zum allerersten Mal.
    Andi begann zu lachen. »Ja, ja, Stefan.«
    Heinzmann wurde angesteckt vom Lachen seines Freundes und musste selbst über sein misslungenes Ablenkungsmanöver schmunzeln.
    Als sie sich wieder beruhigt hatten, steckten die zwei Polizisten die Köpfe zusammen. Baumer wurde nachdenklich. Er sagte: »Scheiße, dass es mir gerade jetzt wieder sehr viel schlechter

Weitere Kostenlose Bücher