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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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lange nachzudenken und stehen zu bleiben, bis er das erste Puzzleteil gefunden hatte.

    Vergeblich.

    Nach einer halben Stunde hielt er es nicht mehr aus auf seinen Beinen und legte sich erneut auf die Couch. Das Ausstrecken tat wohl, und er nickte beinahe ein. Als er vom Zucken des eigenen Körpers, das ankündigte, dass er in den Schlaf fallen würde, geweckt wurde, richtete er sich rasch ein wenig auf.
    Verdammt. Baumer schlug sich an die Stirn und ein feuriges Schnaufen platzte aus ihm heraus. Es gab doch einen entscheidenden Hinweis. Die Spur war offensichtlich. Die Amadio hatte ihren Sohn angerufen. »Meine Freundinnen sterben alle«, hatte sie gesagt. Es ging um den Tod von alten Frauen – Kantonsspital hin oder her. Das war die Spur, die er verfolgen musste.
    »Hast du mich jetzt endlich verstanden, Baumer?«, sagte eine innere Stimme zu Baumer.
    »Ja, Helen, jetzt habe ich begriffen«, antwortete Baumer der Stimme in seinem Kopf. »Du hast mir etwas sagen wollen. Aber du bist jetzt tot und kannst nicht mehr selber kommen. Aber dein Sohn war da. Der hat es mir gesagt. Deine Freundinnen sterben.«
    »Ja, Baumi. Alle meine Freundinnen sterben«, sagte die kleine Rentnerin aus gutem Haus.
    Der Kommissar war plötzlich wieder hellwach. Es hämmerte in seinem Kopf und seine Schläfen pochten. Natürlich! So musste es sein. Die Amadio meinte gar nicht die Frauen, die im Kantonsspital lagen. Es gibt noch mehr Freundinnen, die tot sind. Das war das erste Puzzleteil. Ein schönes Puzzleteil. Frisch ausgestanzt. Noch gänzlich unverbraucht, öffnete es neue Perspektiven. Daran ließen sich weitere Teile anlegen.
    Baumer erhob sich von der Couch und er war selbst erstaunt, wie gut das plötzlich ging. Er trat zu seiner Jacke, die er an einen Stuhl gehängt hatte, und griff in die Innentasche. Er zog das Telefonbüchlein der Amadio hervor, das er dort verstaut hatte. Er blätterte es von vorne bis hinten durch. Baumer suchte etwas Auffälliges. Aber was? Er wusste es selbst nicht genau. Er begann wieder von vorn. Betrachtete Seite um Seite. Jede Nummer verglich er mit allen anderen.
    Plötzlich wurde er langsamer, ging dann schnell nochmals zurück. Wieder vor, wieder Zurück. Er schaute sich die einzelnen Einträge dieser Seiten genau an. Dann blätterte er das Büchlein ein letztes Mal durch. Schließlich legte er es wieder weg, bedächtig und vorsichtig. Klappte es ein, als wäre es eine seltene Bibel und legte es vor sich hin auf den Tisch.
    Nur ein paar Minuten noch, eine kleine Überprüfung und er würde Gewissheit haben, ob er Recht hatte. Er öffnete die Schublade, in der er zuvor, auf der vergeblichen Suche nach Spuren und Hinweisen alte Fotografien entdeckt hatte. Auf drei Fotobüchern lagen ungeordnet mehrere Fotos, vermischt mit einem Dutzend Trauerkarten. Ein paar Umschläge der Karten waren vergilbt und alt, die meisten Kuverts aber neu und noch blütenweiß. Kommissar Baumer las jeden dieser einzelnen Briefe penibel durch. Ihnen beigelegt waren die entsprechenden Todesanzeigen. Helen Amadio hatte sie fein säuberlich ausgeschnitten aus der Basler Zeitung, der Riehener Zeitung oder dem Prattler und Muttenzer Amtsanzeiger. Baumer sah auch diese Annoncen genau an. Als er mit dieser Untersuchung fertig war, wusste er, dass er endlich eine Spur gefunden hatte.
    Dann trat er beinahe ehrfürchtig zum Buffet, als wäre es ein Altar. Er schaute das Bild des Sohnes an, blickte genau hin, machte sich seine Gedanken zu Robert Amadio, stellte es dann ein wenig gerader. Eine kleine Porzellanfigur eines Schweizer Bauernmädchens zog er ein kleines Stückchen aus seiner Nische hervor, drehte sie funkelnd mehr ins Licht. Das danebenliegende Büchlein – »Wertvolle Fribourger Souvenirs des 18. Jahrhunderts« – richtete er wieder auf. Er nahm auch die Broschüre der Klinik Alpensonne vom Buffet, überflog sie. Fast beiläufig las er die Kontaktdaten der Klinik, die Straße, wo die Klinik lag, die Telefonnummer. Dann faltete er die Broschüre wieder akkurat zusammen, legte sie fein säuberlich in eine freie Nische zurück.
    Als alles geordnet war, nickte er mehrmals mit einem seligen Lächeln im Gesicht. Er wusste, dass sein Verdacht kein bloßer Verdacht war, sondern eine echte Spur. Eine Spur, die ihn unweigerlich zum Mörder führen würde. Dem Mörder einer alten Rentnerin aus Basel, die er ganz besonders gemocht hatte. Diesem Sauhund würde er höchstpersönlich die Handschellen anlegen und …
    Für einen ganz

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