Schweizer Ware
geht.«
»Hä? Was hast du denn jetzt schon wieder?«, fragte Heinzmann, von Baumers plötzlichem Sinneswandel völlig überrascht.
»Meine Platte ist verrutscht.«
»Was?«, erbleichte der Mann in Uniform. Er wollte Baumer instinktiv unter die Arme greifen, um seinen Freund vor dem Fallen zu retten.
»He, was soll das?«, wehrte sich Baumer gegen die plötzliche Umklammerung.
Heinzmann begriff nicht, wieso Baumer so ruhig blieb. War er etwa schon im Schock wie der englische General, der neben Wellington ritt und dem eine Kanonenkugel das Bein wegschoss. Der sagte in aller Gemütsruhe auch nur dazu: »By Jove, I think I lost my leg.«
»Ich bin okay. Nix passiert«, kicherte Baumer, den die Besorgnis von Heinzmann vergnügte.
»Was denn jetzt?«, wurde Heinzmann ungeduldig und strafte Baumer mit einem eindringlichen Blick.
»Ich bin ganz. Es geht mir gut. Du weißt das und ich weiß das«, klärte Andi seinen Freund auf. »Aber die Ärzte in der Klinik Alpensonne, wohin du mich jetzt gleich bringen wirst, wissen das nicht. Verstanden?«
»Alpensonne?« Heinzmann verstand nicht wirklich. Aber er nickte zögerlich.
»Also los. Die Schlacht beginnt«, sagte Baumer energisch, packte die Stöcke und drängte zum Ausgang. »Auf zur Alpensonne.«
*
Dreißig Minuten später standen sie in der blauen Parkzone im Gellertquartier, wo das Alters- und Pflegeheim mit angeschlossener Privatklinik lag. Heinzmann hatte Meier angefunkt und zurückbeordert. Zu dritt waren sie dann in die Richtung der Klinik Alpensonne gefahren. Unterwegs hatte Heinzmann seinen Patrouillenkollegen abgesetzt. Dessen Auftrag: Kontrollgang über Heuwaage – Rialto – Basler Zoo und zurück. Meier hatte gemurrt, aber sich rasch in sein Schicksal ergeben. Also war er bei der Heuwaage ausgestiegen.
Nun ging Meier an der Birsig entlang, einem kleinen Flüsschen, das vor der Innenstadt noch offen durch Basel läuft. Dort im Nachtigallenwäldeli, das entlang des Wasserlaufs zum Eingang des Basler Zoos führt, hatte es immer wieder mal Überfälle auf Passanten gegeben. Die Drogenpolitik, zu deren Konzept auch die nahe Drogenanlaufstelle gehörte, wo die Junkies saubere Spritzen und Ersatzdrogen bekamen, hatte die Zahl solcher Verbrechen zwar reduziert. Aber es gab doch immer wieder mal den einen oder anderen Überfall eines Not leidenden Drogensüchtigen auf einen Spaziergänger oder eine Spaziergängerin ohne Hund. Der Gefreite Meier sollte daher in diesem besonders bedrohten Gebiet Präsenz zeigen und die Anwohner durch seine Anwesenheit ein wenig beruhigen. Das zumindest war der Vorwand für Heinzmann, um Meier ohne allzu große Widerrede loszuwerden. Es tat ihm sogar ein wenig leid, dass er seinen Kumpel anschwindeln musste, denn Kameraden verarscht man nicht ungestraft. Aber was Baumer vorhatte, schien doch eine gewisse Geheimhaltung notwendig zu machen.
»Du willst also tatsächlich als Patient in dieses Heim?«, fragte er seinen Freund, als sie ihre Rollen in dieser Aufführung nochmals durchgingen.
»Ja«, antwortete Baumer.
»Also einfach in die Alpensonne spazieren. Hier bin ich, Leute!«, murrte Heinzmann und machte ein bedenkliches Gesicht.
»Wieso nicht?«
»Weil du kein Hollywoodschauspieler bist. Die glauben doch, dass du sie für blöd verkaufen willst.«
Baumer sagte nichts.
Das ärgerte Heinzmann noch mehr und er hob die Hände. »Bist du Brad Pitt oder was?«
»Das Heim hat eine angeschlossene Privatklinik. Die müssen mich aufnehmen. Los jetzt«, drängelte Baumer vorwärtszumachen, bevor er selbst den Mut verlor. Er stieg aus und zwang Heinzmann, ihm zu folgen.
Die beiden Polizisten marschierten von ihrem Auto, das sie in der Hagenbachstraße abgestellt hatten, durchs Gellertquartier in Richtung Aeschenplatz. Nach ein paar Ecken kam der Eingang der Klinik Alpensonne ins Blickfeld. Er wirkte bescheiden. Fast konnte man ihn übersehen. Auf dem Gehsteig kamen den beiden Männern nur wenige Leute entgegen.
Gut so!
Als sie genau auf der Höhe des Eingangs waren, zog Baumer seine Show ab. Er stolperte über seine Stöcke und platschte auf den Boden. Er schrie sofort bestialisch auf. Für die Passanten, die die Szene beobachteten, sah es aus, als hätte sich dieser Mensch schwer verletzt. Die meisten blieben erschrocken stehen, führten ein oder zwei Hände zum Mund. Nur eine junge Frau – es sind immer junge Frauen – sprang herbei.
Fast hätte Baumer selbst über seine Show gelacht. Der Sturz hatte ihm überhaupt
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