Schweizer Ware
kurzen Moment nahm sein Gesicht einen irren, gierigen Gesichtsausdruck an.
9
Am nächsten Morgen kam Kommissar Baumer um 8 Uhr aus den Federn. Er hatte endlich wieder einmal eine einigermaßen ausgiebige Nachtruhe genießen können. Es war auch Zeit gewesen, denn die Reise – Kreta hin und zurück – und die Nachforschungen der letzten zwei Tage hatten ihn völlig aus dem Rhythmus geworfen. Aus einem Rhythmus, der im Leben des Kommissars sowieso harzte und knirschte. Jederzeit konnte ihn ein Telefonanruf erreichen. Dann zeigten die Leuchtstäbchen auf seinem Radiowecker ein paar Ziffern. Manchmal war es 6 Uhr 13. Die Ziffern konnten aber genauso gut durcheinandergeschüttelt sein und 1 Uhr 36 oder 3 Uhr 16 anzeigen. Das war egal. Er würde in jedem Fall mit einem nur halb geöffneten Auge auf den Wecker schauen und müsste dann sofort aufstehen.
Als er gestern endlich nach Hause gekommen war, war er ruhiger als alle Tage zuvor gewesen. Er hatte eine erste Spur. Das gab ihm Gewissheit, dass sein Bauchgefühl ihn nicht im Stich gelassen hatte, ja es bestätigte, dass er überhaupt eines hatte. Der Tod von Helen Amadio-Meier, so sinnlos er auch schien, war mit Zweck und Absicht herbeigeführt worden. Jetzt galt es nur noch den Mörder aufzuspüren. Das würde ihm gelingen, dessen war sich Baumer sicher.
Baumer war mit sich und der Welt vorerst wieder ganz im Reinen. Der Mörder war bei weitem noch nicht gefangen, doch war er eine Verbindung mit Baumer eingegangen, so wie ein Fisch, der im weiten grenzenlosen Meer fröhlich schwimmt und nicht merkt, dass der Fischer das große Netz um ihn herum bereits zusammenzieht.
Die Arbeit an diesem Fall gab Baumer Ruhe, Sicherheit und die Möglichkeit zu vergessen. Zugleich setzte sich im Bauch von Baumer ein erster Keim einer fernen Unruhe fest. Denn mit der ersten Spur war auch bereits bestimmt, dass der Fall irgendwann gelöst sein würde. Danach hätte er erneut kein Ziel mehr vor Augen, würde wieder von quälenden Erinnerungen eingeholt werden. Doch das Ende dieses Falles war zum Glück noch fern. Baumer hatte weiterhin ein Ziel. Und dieses eine Ziel – das Lösen des Mordfalls – gab ihm Orientierung und Halt.
Sinn.
Vielleicht würde sich auch die Beziehung mit Anna wieder einrenken. Heute würde er sich Zeit nehmen für ein Gespräch. Er würde seiner blonden Freundin zuhören, so wie es seine Partnerin verdiente. Gestern war es dafür zu spät gewesen. Und heute morgen?
8 Uhr 11.
In Griechenland war es schon zwei Stunden später, aber Anna schlief sicher noch. Er wollte sie nicht wecken, denn er selbst hasste es, an freien Tagen aus dem Bett geschellt zu werden.
Baumer bewegte sich ins Bad, um zu duschen. Seit er nach seinem Beinschuss aus dem Spital entlassen worden war, hatte er sich immer im Sitzen geduscht. Dazu hatte er einen Schemel in die Badewanne gestellt. Doch heute war ihm das zuwider. Der Kommissar spürte, dass er heute ganz gut auf den Beinen unterwegs war und wollte diese Hilfe nicht mehr. Er war noch kein alter Mann. Noch nicht! Er packte den Schemel, dessen Sitzfläche bereits von der ständigen Nässe ergraut war und stellte ihn auf seinen kleinen Mikrobalkon zum Trocknen an die zaghaft wärmende Märzsonne. Dann warf er T-Shirt und Turnhose ab und stieg in die Badewanne. Er zog den roten Plastikvorhang zu und stellte sich unter das warme Wasser.
Baumer nahm seinen Kopf zurück und schloss die Augen. Er spürte neben der Masse der Strahlen, die seine Brust massierten, jetzt auch weitere verirrte Strahlen. Einer traf ihn scharf am Hals, zwei andere an den Schultern, ein einzelner dicker Strahl, geformt aus mehreren kleinen, polterte an seinen Bauch. Für Baumer fühlte es sich an, als ob er eine Ganzkörpermassage erhielte. Er genoss diese Wohltat und wand sich unter der Brause wie eine Schlange im Amazonas. Nur als ihn ein einzelner schneidender Strahl im Nacken traf, war ihm sofort unwohl und er drehte den ungeschützten Nacken rasch weg.
Baumer blieb vielleicht zehn Minuten einfach nur unter der Brause stehen. Als sich die Haut seiner Finger verschrumpelte, seifte er sich noch rasch ein, über den rechten Oberschenkel strich er dabei nur sehr behutsam. Zum Schluss spülte er sich gründlich ab und trocknete sich zügig.
Nach der Dusche zog er sich an. Aus dem Schrank nahm er eine schwarze Unterhose von ISA (Swiss Made) und ein weißes Unterhemd von Boss hervor. Dann packte er eine seiner Jeans der Marke Lee. Dieses Mal eine, welche
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