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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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mit spitzen Fingernägeln. Das Resultat: Die zwei Muskelprotze wurden ausgeknockt und durften den Boden küssen. Meier hingegen schmerzte die Schulter von einem Faustschlag, der seinem Gesicht gegolten hatte und den er nur knapp hatte ablenken können.
    Auch Heinzmann hatte die üblichen blauen Flecken als Andenken erhalten. Solche »Bhaltis« nahm er schon gar nicht mehr wahr. Viel schmerzhafter waren drei lange Kratzer, die blutige Streifen auf seiner Backe hinterlassen hatten. Eine der wie Papageien aufgedonnerten Damen hatte ihm ihre Fingernägel durchs Gesicht gezogen. Mit diesen drei Streifen sah er aus, als wäre er von Adidas gesponsert.
    Eine Stunde nach dieser Schlägerei wurde er zum Scharfen Eck in Ettingen und einem bedeutend angenehmeren Kunden gerufen, einem etwa 75-jährigen Rentner. Der war gepflegt, mit dunkelgrauem Anzug bekleidet und hatte in dieser Bar ein Bier getrunken. Der Alte hatte andauernd gelacht. Als es ums Bezahlen der Rechnung ging, hatte er Tanja, der netten Barmaid, nur lächelnd sein Portemonnaie gegeben. Es war völlig leer. In einem Seitenfach jedoch fand die Barfrau die Notiz eines Hospizes in Basel: »Herr Josef Moser ist verwirrt. Bitte vorsichtig ansprechen. Verständigen Sie bitte die …« Also war Stefan Heinzmann ausgerückt – noch bevor er sich ein Pflaster auf die Wange hatte kleben können.
    So ging es für den Wachtmeister jeden Tag. In der Nacht Angehörige von Randgruppen aller Art wieder auf den Pfad der Tugend oder gleich nach Hause bringen. Am Tag dann Morde an alten Frauen auflösen. Schlafen? Dann und dort, wo es überhaupt möglich war. Jetzt war es in Baumers Büro möglich.
    Der Kommissar sah auf seinen leise schnarchelnden Freund hinunter. Das Liegen am Boden musste für diesen sehr unbequem sein. Immerhin hatte Baumer eine ausrollbare Matratze gekauft, auf der sein Kumpel ausruhen konnte. Seitdem machte es sich Heinzmann immer öfter in seinem Büro bequem. Auch ein Heinzmann muss einmal die Augen zumachen dürfen.
    Der Kommissar mühte sich aus seinem Stuhl hoch, wie eine Giraffe, die vom Boden aufsteht. Er streckte sein geflicktes Bein aus, die Stöcke stützte er weit von sich weg auf dem Linoleumboden auf. Dann ein Ruck und den Körper auf die vier Beine gestellt. Die Beine zog er eines nach dem anderen näher an den Körper, stemmte die ganze Masse des Körpers schrittweise auf seine abnorm langen Füße. Dann ging er zu Heinzmann hin. Dieser schnarchte nun eindringlich, aber hörte mit dem Sägen sofort auf, als Baumer an ihn herantrat. Heinzmanns Schlaf war flach. Baumer holte aus dem Schrank eine Decke, die er sich selbst manchmal umlegte, wenn er es im Winter zu kalt in seinem Büro hatte. Er breitete sie über Heinzmann aus.
    »Messi«, murmelte Heinzmann im Halbschlaf. Er zog den Zipfel der leichten Decke an seine Schulter, nuschelte mit schrägem Mund und müder Zunge etwas von »zu viel Kaffee«, dann begann wieder ein Rasseln, gefolgt von einem Röcheln. Als das Schnarchen eintraf und den Raum in Beschlag nahm, hatte Baumer das Büro bereits verlassen.

    *
    Auf dem Flur kamen Baumer einige Leute entgegen. Es musste eine Sitzung stattgefunden haben, denn sie kamen aus der Richtung des großen Besprechungsraums. Die meisten Beamten grüßten den Kommissar. Andere quatsch t en miteinander und waren froh, dass sie so tun konnten, als hätten sie ihn in ihrer wichtigen Unterhaltung nicht wahrgenommen. Sie ignorierten ihn bemüht. Das war ihre Art zu zeigen, was sie von Baumer hielten. Weniger als nichts.
    Als der Strom an Leuten versiegte, erkannte Andreas Baumer den Regierungsrat Schläfli, der sofort den Kopf zum Gruß hob. Er zeigte sein breites Kinn, das im Licht der Neonlampen leuchtete und lächelte. War sein freundlicher Gruß die automatische Reaktion eines Politikers? Baumer konnte es nicht entscheiden.
    Links von Schläfli ging Rötheli, der Chef der Zivilfahnder. Der zerknautschte sein Gesicht und verdrehte ostentativ die Augen, kaum dass er Baumer erkannte. Rechts vom Regierungsrat glitt sein glatzköpfiger Schleimerschatten dahin. Er schien mit ihm so eng verbunden zu sein, wie ein Pilz mit einem Baum. Auch dieser Schleimer produzierte ebenso wie ein Pilz nichts, sondern zog alle Energie aus dem gesunden Stamm. Wenn sein Ernährer nicht wiedergewählt würde, könnte auch der Pilz absterben. Wahrscheinlicher war jedoch, dass dieser Pilz in dem Fall plötzlich Beine bekommen würde und sich an einem noch voll im Saft stehenden, neuen

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