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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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die Beerdigungen seiner Großeltern auf dem Land doch gewesen waren. Es gab kein Durcheinander an Namen wie hier in der Stadt, alles war seit ewig klar geregelt. Vorne das kolossale Grabmal des alten Pfarrers. Hinten dran die Gräber der Bauern und Handwerker, eng aneinander gedrängt, wie sie auch in der Kirche gesessen waren.
    Er erinnerte sich an die Beerdigung seiner Zeglinger Großmutter mit den über hundert Trauergästen. Die vielen Leute passten kaum in die Kirche, als der dicke Pfarrer von der harten und ungerechten Welt sprach. Von einem Leben voller Hingabe und Bescheidenheit. Und harter, täglicher Arbeit, die man klaglos hinnahm, ein Leben lang, bis hin zum Tod.

    Amen.

    Andi Baumer erinnerte sich auch an die vielen gestandenen Männer, die seiner Großmutter das letzte Geleit gegeben hatten. Viele im Sonntagskittel, aber mit klobigen Militärschuhen, in der Hand meist eine Mary Long oder eine Brunette ohne Filter.
    Wenn man einem dieser Männer die Hand schüttelte, war es, als würde man eines der spröden Holzscheite fassen, wie sie bei Andis Großmutter getrocknet neben dem Holzofen in der Küche gelegen hatten. Auch nach dieser Beerdigung würden sie noch arbeiten gehen, sich bei einem Großbauern verdingen, um Holz aufzuschichten oder Mauersteine zu schleppen. Das Leben war hart und jeder einzelne Batzen war wichtig. Sie würden beim Leichenmahl unten im Gasthaus Rössli nur kurz ein Bier und einen Schnaps hinunterstürzen und würden nicht bis zum traditionellen Schüfeli – einem gekochten Schinken – und Kartoffelsalat bleiben können, geschweige denn bis zu einem Stück Torte oder einer Meringue-Glacé wie in der fernen großen Stadt.
    Ein Kaffee Schnaps, das täte jetzt auch gut, dachte Baumer, als er den Streifenwagen von Heinzmann erblickte.

    *
    Heinzmann fuhr in seinem Dienst-Mercedes vor. Er hielt halb auf de m Bürgersteig auf der Höhe von Baumer an. Der Beifahrersitz war von Rolf Danner belegt. Baumer stieg daher hinten ein und setzte sich neben Dr. Regazzoni. Der Mediziner hatte seinen edlen Sakko hochgeschlagen und schaute stur geradeaus, als Baumer zustieg, sagte nichts.
    Danner hingegen drehte sich in seinem Vordersitz sofort nach hinten. Er begrüßte Baumer freudig und versuchte, ihm über die Sitzlehne hinweg die Hand zu reichen.
    Heinzmann schaute bereits in den linken Rückspiegel, als Baumer die Tür schloss. Er hatte für ihn nur ein kurzes »Sali« übrig, das Baumer mit einem »Sali zämme« quittierte.
    An der Friedhofsmauer entlang fuhr Heinzmann bis zum nahen Otto-Wenk-Platz, wo es Parkplätze gab. Alle hielten sich zurück. Kaum war der Motor abgestellt, ging ein wildes Durcheinander los. Danner wollte Baumer unbedingt erzählen, was er über Firsov erfahren hatte, und plapperte los. Regazzoni schaute immer noch stur geradeaus. Er hatte es bis jetzt nicht geglaubt, dass man tatsächlich Leichen schänden ginge, und platzte Danner ins Wort: »Ich will das schriftlich! Schriftlich, Baumer! Ich mache nur mit, wenn das hier wirklich ein Notfall ist.«
    Andreas Baumer hingegen war genauso erregt wie seine Hilfssheriffs und rumpelte ebenfalls los. »Stefan, warum kommst du im Polizeiwagen? Willst du grad noch die Sirene einschalten?«
    So sprach jeder für sich, aber keiner hörte dem Anderen wirklich zu.

    Moderne Welt.

    Einzig Heinzmann schien die Situation unter Kontrolle zu haben. »Ruhe jetzt«, sprach er beherrscht aus. Es war, als einte Kapitän Ahab seine aufmüpfigen Matrosen für den Kampf. »Der weiße Wal, Männer. Der weiße Wal! Den wollen wir erlegen.« Augenblicklich verstummten die Mitfahrer. Stefan Heinzmann legte den linken Arm über das Steuerrad, drehte sich zu seinen drei Kumpels hin.
    »Heute Nacht«, fuhr er fort, »gehen wir in den Friedhof. Dort holen wir Proben von einer Leiche. Das muss sein. Wir müssen einer Mörderbande das Handwerk legen. Es gibt keinen anderen Weg. Noch Fragen?«
    Danner blickte sich interessiert um. Er selbst hatte nichts zu meckern. Er schaute daher auf Regazzoni, der sich keinen Millimeter bewegt hatte. Es schien, als wäre er in dieser Position eingefroren. Dann sah er Baumer an. Der hingegen knirschte erneut: »Warum dieser Wagen, Stefan? Und warum bist du in Uniform?«
    »Ich erkläre es Ihnen, Herr Kommissar. Ich habe heute Nachmittag ausgekundschaftet, wie wir unbemerkt in den Friedhof kommen können. Die Tore am Haupteingang sind zu hoch und verschlossen. Die Tore beim Hintereingang sind niedrig, aber mit Kameras

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