Schweizer Ware
am Grenzacherweg streichen ließ.
Alles blieb ruhig. Kein Fenster war mehr erleuchtet, wahrscheinlich waren sie auch geschlossen, denn die Nacht war noch sehr kalt. Ein letzter Blick, dann stieg Heinzmann den anderen hinterher.
Niemand schien etwas gehört zu haben.
13
Heinzmann ging voran, die anderen folgten ihm gespannt. Keiner redete etwas. Endlich deutete Heinzmann auf ein Grab vor sich. »Anita Kägi«, zeigte er mit dem Daumen auf die mit frischen Blumen bepflanzte Stelle.
»Hm«, sagte Baumer.
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, flüsterte Regazzoni und kratzte sich seine linke Handoberfläche mit den Fingernägeln der anderen Hand wund.
Danner hingegen trat unbekümmert an das neue Grab und begann sogleich, die Blumengebinde zu packen und wegzutragen. An einem Gestell hing ein großer Kranz. Die silberne Inschrift auf der Schleife – In ewiger Dankbarkeit. Deine Tochter – konnte er selbst jetzt in der Dunkelheit lesen. Es war nur wenige Nächte nach Neumond und seine Augen hatten sich bereits an das wenige Licht gewöhnt. »Komm, hilf mir mal!«, forderte er den Gerichtsmediziner auf. »Das Ding ist schwer.«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, schüttelte dieser den Kopf aber packte dann doch an, als er sah, wie Danner sich abmühte. Dass der ihn einfach per du angesprochen hatte, hatte ihn nicht gestört. Irgendwie passte das zu dem, was sie hier machten.
Dann kamen die Spitzhacke und die Schaufel zum Einsatz.
Baumer selbst war durch seine noch nicht absolut verheilte Verwundung lahmgelegt. Niemand erwartete von ihm, dass er beim Graben mit anpackte oder gar in das immer tiefer werdende Loch stiege.
Heinzmann legte sich dagegen umso mehr ins Zeug. Er trieb den Pickel mächtig in den Boden und riss am Stiel, so dass große Schollen aus der nur wenige Tage zuvor festgeklopften Schicht brachen. Er wollte allen anderen zeigen, wer hier die größte Energie hatte, und schuftete gleich für zwei.
Insgesamt ging es nicht so schwer wie befürchtet. Die sandige Erde hatte sich noch nicht richtig verdichtet und gab gut nach. Abwechselnd gruben sich Heinzmann, Danner und Regazzoni in den Boden hinein. Sie gaben sich Mühe, den Aushub nicht allzu sehr zu verstreuen, sondern schaufelten ihn akkurat vor das Grab auf den Gehweg, um es, ohne Spuren zu hinterlassen, später wieder ordentlich herrichten zu können. Auch wenn es nicht perfekt würde, die Blumen obenauf würden alles überdecken. Und selbst wenn jemand etwas entdeckte, so würde er annehmen, dass hier Wildtiere gescharrt hätten.
Der Professor half beim Pickeln und Schaufeln intensiv mit. Das war logisch. Wenn er mit anpackte, wäre man schneller fertig. Also lief er selbst ein kleineres Risiko entdeckt zu werden. Trotzdem war ihm weiterhin nicht wohl bei der Sache und immer wieder flüsterte er halblaut »Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, bis ihn Danner einmal genervt anfuhr, er solle doch endlich damit aufhören. Regazzoni stoppte augenblicklich sein Meckern, aber trieb seinen Pickel dafür umso wütender in das Erdreich hinein. Mit dieser Wut im Bauch war er doppelt so kräftig wie zuvor, doch immer noch nicht einmal halb so effektiv im Graben wie Heinzmann und Danner. Es war ihm egal. Er hob den Pickel zornig hoch und schlug ihn schnaubend in die Grube. Die Spitze schlug auf etwas Hartes, und ein dumpfes »Klong« ertönte.
Regazzoni hielt sofort inne. Er schaute verdutzt aus der Grube hoch, in der er schon deutlich mehr als einen Meter tief stand. Die drei anderen kamen sogleich näher heran und sahen zu ihm hinunter. Keiner sprach ein Wort. Reihum schauten sie sich an.
Schließlich sagte Danner: »Mach noch mal!«
Regazzoni drehte sich wieder ins Grab, hob die Spitzhacke und ließ sie noch einmal herunterfahren. Erneut ertönte das verräterische Geräusch, als die Pickelspitze auf den Deckel des Sarges schlug und den darunterliegenden Hohlraum zum Zittern brachte.
Anita Kägi.
Sie hatten angeklopft.
Dann räumten die vier Männer den letzten Dreck vom Sarg der Kägi Anita, stolzer Besitzerin der Mittleren Reife und de s Diplom s einer Handarbeitslehrerin, zur Seite. Wieder abwechslungsweise arbeitend, legten sie den Eichensarg soweit frei, dass man ihn aufbrechen konnte. Dazu stellte Danner sich breitbeinig über den Sarg und schob das abgeflachte Ende des Pickels zwischen Deckel und Seitenwand. Er schaute zu Baumer hoch.
Baumer nickte.
Zunächst zog Danner ganz vorsichtig am Stiel. Das Holz knirschte. Dann ging er mit
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