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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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müsste.«
    Dann ging er in die Küche, holte sich einen Powerdrink aus dem Kühlschrank. Er öffnete die Büchse und trank gierig. Das Koffein im Drink würde ihn wachhalten, denn bald würde es dunkel sein, und in dieser Nacht würde er seine Kräfte brauchen. Heute Nacht würde es so richtig abgehen. Heute Nacht gäbe es Action auf dem Friedhof.

    *
    Baumer hatte einen langweiligeren Tag als Danner. Er verlief für ihn, wie so viele seiner Tage verlaufen. Er musste sie irgendwie hinter sich bringen, wenn möglich sinnvoll. Auch heute gelang es kaum. Es war mehr ein Verdrängen der großen Leere als ein bewusstes Leben im Hier und Jetzt. Er hatte zwar eine Freundin, sogar zwei. Aber beide waren weit weg, unerreichbar.
    Als er am späteren Nachmittag im Spiegelhof keine Ideen mehr hatte, wie er die Zeit totschlagen könne, verließ er sein Büro und ging zum Rhein.
    Rechts vom Hotel Drei Könige lag die Schifflände, dort bei der Mittleren Brücke, dem alten steinernen Übergang über den Rhein, wo die Ausflugsboote anlanden. Andreas Baumer stand an der Balustrade oberhalb der Kaimauer. Da gab es einen kleinen Brunnen, der frisches Leitungswasser spendete. Er streifte seine Ärmel hoch und kneippte. Zuerst tauchte er den Unterarm der Herzseite ein, danach den rechten. Schließlich beugte er sich so weit über den Brunnenrand bis beide Arme bis fast zu den Achseln ins kühlende Wasser eingetaucht waren. Wie von Dr. Sebastian Kneipp vorgeschrieben, bewegte er sie sanft im Wasser. Das kühlte noch zusätzlich. Nach einer Minute – Baumer maß die Zeit mit Hilfe seiner Omega Seamaster – richtete er sich auf, strich das Wasser ab und schlenkerte seine Arme an der Seite seines Körpers. Alle Kopfschmerzen, die ihn den ganzen Morgen geplagt hatten, waren verschwunden.
    Nachdem die Haut von der weiterhin milden Märzensonne einigermaßen getrocknet war, krempelte er die Ärmel wieder hinunter und zog seine Jacke an. Er nahm die Stöcke auf und überquerte die Mittlere Brücke, die älteste der Stadt, und ging ins Kleinbasel. In den Rhein schaute er nur knapp. Der stand hoch und war schmutzig braun. Einzelne Äste und Blätter schwammen in der trüben Sauce, die an den Brückenpfeilern verwirbelte. Oben in Richtung der Berge war starker Regen gefallen. Der hatte den alten Schnee verflüssigt. Diese vereinten Wassermassen füllten nun den Flusslauf und wühlten das Flussbett auf, so dass Dreck und Schlamm hochkamen und den Rhein eintrübten. Es würde noch ein paar Wochen dauern, bis hier aller Schmutz ausgewaschen wäre. Dann würde der Wasserstand zurückgegangen sein und sich der Strom wieder beruhigt haben. Der Rhein wäre wieder so sauber, wie das chemisch gereinigte Hemd eines Prokuristen auf der Bank. Auf der Kleinbasler Seite, wo der Strom nicht ausgebaggert war für die Schifffahrt, würde bei tiefem Pegelstand der kiesige Grund wieder sichtbar werden, mit den grünen Glasscherben von Bierflaschen, die Jugendliche achtlos in den Rhein werfen, wenn sie am Ufer des Rheins ihre ganz persönliche Freiheit genießen. Gelegentlich entdeckt man auch einen kaputten Kinderwagen oder einen verbeulten Pfannendeckel.

    Einen Haarföhn.

    Ein Mountain Bike.

    Auf der Kleinbasler Seite des Rheins angekommen, trat Baumer in das große Kaufhaus gleich an der M ittleren Rheinbrücke. Dieses Haus hieß früher selbst auch Rheinbrücke. Im Zuge der Globalisierung hatte dieser lokale Namen nicht mehr genügt. Der Konsumtempel hieß nun Manor, wie all die anderen Filialen dieser Genfer Kette, die in allen großen Schweizer Städten die gleichen Waren aus Sri Lanka, Indien und China und Vietnam und Südkorea anbot.
    Im Warenhaus war emsiges Treiben. Bereits am Eingang wurden die Besucher mit allerlei Sonderaktionen und Punktesammeleien überrascht. Es war – wie jeden Tag – irgendein Aktionstag. Einzigartige Verkaufsaktionen wurden lautstark angepriesen. Der Sprecher sprach in breitestem Baseldeutschem Dialekt wie man es sonst nur noch in Radiokonserven aus der Steinzeit hört. An den Wühltischen drängelten und schubsten sich Trauben von Leuten. Die meisten waren Türken. Viele Frauen mit Kopftuch, aber ohne Interesse am Baaseldyytsch.
    Baumer ging rasch an diesen Menschen vorbei, denn er hatte ein wenig Angst, das Blaulicht, das über dem Wühltisch angebracht war und wie verrückt drehte, könnte erlöschen und ein anderes würde angehen – nochmals 50 % auf diese Ware hier! Dann wären die Kunden wie 100-Meter-Läufer beim

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