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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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nach.«
    Ein kurzes Zucken ließ den Lichtstrahl durch den Motorraum irren. »Ist schon gut«, sagte Orrie. »Versuchen Sie noch mal zu starten. Aber geben Sie nicht zu viel Gas.«
    Judith setzte sich ans Steuer. Der Motor sprang schnurrend an. »Na also«, sagte Orrie. »Aber bringen Sie das Wägelchen am Montag in die Werkstatt. Sagen Sie, dass Sie neue Zündkontakte brauchen. Gute Fahrt.«
    Lässig tippte er an die Mütze.

    Die Rücklichter des Alfa verschwanden in der Dunkelheit. Es begann wieder zu nieseln.
    »Irgendwie ist die mir ein bisschen irre vorgekommen«, sagte Heilbronner. »Vielleicht hätten wir sie blasen lassen sollen.«
    »Dir vielleicht? Im Übrigen negativ«, sagte Orrie. »Ich hätte sonst was riechen müssen. Die war fickrig darauf, zu ihrer Freundin zu kommen. Weiß der Kuckuck, was die in ihrem Dachgeschoss sägen und hobeln wollen.«
    Heilbronner schüttelte den Kopf. »Da liegst du falsch. Hast du nicht gesehen, dass man der eine gescheuert hat? So, wie die ausschaut, war das ein Kerl, der das gemacht hat. Keine Frau.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, wandte Orrie ein. »Denk doch bloß an den Brummer im Dezernat eins. Wenn die sich mit ihrer Freundin zofft . . .« Im Streifenwagen quäkte Polizeifunk. »Wir kommen ja schon«, sagte Heilbronner.

Samstag, 29. Mai
    Der neue Tag brachte neuen Regen. In den Morgennachrichten hieß es, am Oberrhein seien bereits die Hochwasserpolder geflutet worden, und vom Bodensee würden die höchsten Pegelstände seit Menschengedenken gemeldet. Das »Tagblatt« berichtete von den Querelen in der Stuttgarter Regierungskoalition und dass der Ministerpräsident sich offenbar gegen seine Kritiker aus dem südwürttembergischen Bezirksverband durchgesetzt habe. Der Ulmer Lokalteil beschäftigte sich mit dem Streit um eine zweite Straßenbahnlinie, die das Universitätsgelände mit der Innenstadt und weiter mit dem bayerischen Neu-Ulm verbinden sollte. Ein schöner Plan. Nur reichte das Geld nicht, wenn man dem Finanzdezernenten glauben durfte, der in seinem Haushaltsbericht bitterlich Klage über den begrenzten finanziellen Spielraum der Stadt geführt hatte. Und auf dem Flughafen Erbach, zehn Kilometer außerhalb
von Ulm, war ein Flugtag angekündigt, mit Rundflügen für jedermann zum Schnupperpreis.
    Berndorf trank seinen Tee aus und suchte die Privatnummer des Gerichtsreporters Frentzel heraus. Dann holte er sein Telefon zu sich her und wählte. Nach längerem Klingeln meldete sich eine ungnädige Stimme mit einem knarzenden »Ja?«.
    Berndorf entschuldigte sich für die frühmorgendliche Störung. »Ich möchte mich für die freundliche Zusendung aus Ihrem Archiv bedanken«, sagte er dann.
    »Keine Ursache«, antwortete Frentzel. »Jeden Tag eine gute Tat. Und jede Nacht. Es ist doch Nacht, was wir jetzt haben, oder sollte da ich einem Irrtum erlegen sein?«
    »Jein«, sagte Berndorf. »Ihr geschätztes Blatt lag jedenfalls bereits in meinem Briefkasten.« Von Frentzel kam ein undeutliches Knurren.
    »Ich habe mit Interesse die Wehklagen des Finanzdezernenten gelesen«, fuhr Berndorf fort. »Und nun wüsste ich gerne, ob ich über Sie an diesen Haushaltsbericht kommen könnte.«
    »Das ist zwar nicht mein Gärtchen«, sagte Frentzel. »Aber üblicherweise gibt es von diesen Berichten tatsächlich Kopien für die Presse. Sofern vorhanden und auf dem Schreibtisch meines Kollegen auch aufzufinden, werde ich Ihnen eine Kopie von der Kopie ziehen. Da ich am Sonntag Dienst habe, könnten Sie es am Montag bekommen. Reicht Ihnen das?«
    Berndorf sagte, dass das seine Erwartungen weit übertreffe, und wünschte einen angenehmen Tag.
    »Und ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, so viel noch davon übrig ist«, antwortete Frentzel.
    Berndorf legte auf und beschloss, schwimmen zu gehen. Es würde noch eine Weile dauern, bis er sich wieder einen Waldlauf abverlangen konnte. Wenn überhaupt. Irgendwie musste er wieder Kondition aufbauen. Er packte Badehose und -mantel in die Sporttasche, die ihm Barbara für einen Algarve-Urlaub gekauft hatte. Auf dem Neu-Ulmer Donauufer war am Jahresbeginn ein neues Hallenbad mit Sauna eröffnet und auf den verheißungsvollen Namen »Atlantis« getauft worden.
Weil er vermutlich den ganzen Vormittag dort verbringen würde, steckte er vorsorglich einen Lichtenberg-Band ein. Später könnte er ja zu diesem Flugtag hinausschauen.
    Die Türklingel schlug an. Berndorf ließ die Tasche stehen und humpelte zur Sprechanlage.
    »Vochezer«,

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