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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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die Plastiktüte. Nach kurzem Zögern legte sie die Sägeblätter aus ihrem Werkzeugkasten dazu, außerdem Maurerkelle, Zollstock, Wasserwaage und – aus reiner Gewohnheit, wie sie fast belustigt feststellte – ihren Schutzhelm. Sie schleppte die Wanne über den Durchgang in die Tiefgarage zu ihrem Alfa Romeo. Doch der Kofferraum des Spiders war für die Wanne mit dem Werkzeug zu klein. Sie musste sie schräg auf den Beifahrersitz schieben. Er war so weit zurückgestellt, wie es nur ging, ihr letzter Beifahrer war Rodek gewesen, auf seiner letzten Fahrt. Tomorrow you will be gone.
    Sie drehte den Zündschlüssel um, und der Motor sprang stotternd an. Er läuft nicht richtig, schon wieder nicht. Beim Anfahren sah sie im Rückspiegel eine mächtige Qualmwolke. Sie hätte den Wagen schon längst zur Inspektion bringen sollen. Du Scheißding, du wirst mir jetzt nicht verrecken. Nicht jetzt. Am Montag bring ich dich in die Werkstatt, ganz bestimmt, großes Ehrenwort.
    Der Wagen schaffte es, qualmend und spuckend, die Ausfahrt
hinauf, und Judith bog vom Eselsberg zu der Straße hinab, die sie zum Zubringer für die Kemptener Autobahn und damit auf die bayerische Seite der Donau bringen würde. Bergabwärts stotterte sich der Motor auf Touren. Im Rückspiegel sah Judith, dass ihr ein Wagen folgte. Unten im Tal schaltete sie zurück und gab Gas. Der Motor röhrte auf, für einen Augenblick verschwanden die Lichter des Wagens hinter ihr im Auspuffqualm. Dann nahm der Spider langsam Fahrt auf.
    Es geht ja wieder, dachte Judith erleichtert. In ein paar Minuten würde sie bei der Villa sein. Es würde eine lange Nacht werden. Und die Betonmaschine konnte sie erst am Morgen einschalten. Aber morgen Mittag, spätestens, würde nichts mehr zu sehen sein. Sie würde baden und danach schlafen. So lange sie es wollte. So lange, bis alles ausgeheilt war.
    Irgendwo zuckte kaltes blaues Licht. Judith warf einen Blick in den Rückspiegel. Kalter Schrecken lief ihr über die Arme. Der Streifenwagen scherte aus und überholte sie. Eine rot leuchtende Kelle signalisierte, dass sie anhalten solle. Judith bremste den Wagen ab und stoppte. Mechanisch holte sie ihre Papiere aus dem Handschuhfach und ließ das Seitenfenster herab. Plötzlich schien ihr alles gleichgültig. Meinetwegen soll alles herauskommen, dachte sie. Wenn es nur rasch geschieht.
    Auch der Streifenwagen hielt, ein Polizist stieg aus, die Uniformmütze schräg in den Nacken geschoben. Neben dem Streifenwagen sah er fast klein aus, vermutlich war er kaum größer als sie selbst. Er kam an die Wagentür und tippte lässig an seine Uniformmütze. In der Hand hielt er eine Stablampe.
    »Schönen guten Abend auch, die Dame! Schon mal was vom Klimagipfel gehört?«
    »Ich verstehe nicht«, antwortete Judith, die Autopapiere in der Hand, und betrachtete ratlos das Namensschild, das schief an der Brusttasche der Lederjacke des Beamten hing. »PHM Leissle« stand darauf.
    »Ihr hübsches kleines Auto da macht einen Qualm, damit
können Sie ganz Blaustein vergiften«, erklärte Leissle. »Ist Ihnen das denn nicht aufgefallen?«
    »Ich hab nur gemerkt, dass der Motor nicht rund läuft.«
    »Das glaub ich Ihnen gern«, sagte Orrie. »Machen Sie mal die Motorhaube auf.«
    Sie löste den Griff. Er klappte die Haube hoch und leuchtete in den Motorraum. Judith stieg aus und stellte sich neben ihn. »Halten Sie mal die Lampe«, befahl er. Während sie ihm leuchtete, begann er, den Verschluss des Zündverteilers zu lösen.
    Aus dem Streifenwagen kam ein zweiter Beamter. »Was machst’n da, Orrie? Wir sind nicht der Pannendienst.«
    »Das ist ein Alfa, weißt du das?«, antwortete Orrie und fummelte an irgendwelchen Kontakten. »Ich möchte den Alfa sehen, den ich nicht zum Laufen bring.«
    Der zweite Beamte schnüffelte misstrauisch um den Wagen. »Was haben Sie denn da für Werkzeug geladen?«
    Judith hielt noch immer die Stablampe. »Ich wollte zu einer Freundin und ihr am Wochenende helfen. Sie hat sich das Dachgeschoss ausbauen lassen, und die Handwerker haben Pfusch gemacht. Vielleicht kann ich es auf die Reihe bringen.« Sie versuchte ein Lächeln ins Dunkle. »Ich bin Architektin.«
    »Eh«, sagte Orrie, »wenn der Wagen jetzt wieder läuft, kommen Sie dann auch zu mir ins Dachgeschoss? Ich hätt’ da auch was, was man auf die Reihe bringen kann.«
    »Hören Sie nicht auf ihn«, sagte der zweite Beamte. »Seine Frau ist dermaßen eifersüchtig, die geht Ihnen mit dem Tranchiermesser

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