Schwemmholz
gehört«, erklärte Welf und öffnete die Bierflasche, die Marie-Luise vor sein Gedeck gestellt
hatte. Das Bier war so kühl, dass sich die Flasche beschlagen hatte. »In Stuttgart gibt es noch immer Aufregung wegen dieses Feuers auf dem Gföllner-Bauhof. Unser Landesvater will nicht wahrhaben, dass der Geschäftspartner seines Schwagers die Mafia am Hals hat.« Er nahm einen kräftigen Schluck.
Marie-Luise sah ihm wortlos zu. In ihrem Blick lag diese unerträgliche, schweigende Missbilligung, die für Welf inzwischen das Hauptmerkmal ihrer Ehe geworden war.
»Was soll’s«, sagte er. »Uns geht das alles nichts an.«
»Wirklich?«
Welf hatte sich ein halbe Scheibe Räucherlachs und dunkles Brot dazu auf den Teller gelegt. Er ließ die Gabel sinken und sah seine Frau stirnrunzelnd an. »Was soll das jetzt schon wieder heißen?« Aber Marie-Luise hatte den Blick schon abgewandt. Sie zuckte nur mit den Schultern und goss Georgies Schnabeltasse nach.
Welf nahm das Bierglas und trank aus. Dann schenkte auch er nach und fing an, lustlos den Räucherlachs auf seinem Brot zu verteilen. Schweigen breitete sich aus. Georgie hörte mit vollem Mund zu kauen auf und sah zu seiner Mutter. Das Telefon wimmerte. Kauend wollte Welf aufstehen. Marie-Luise kam ihm zuvor und ging in die Halle, wo einer der Anschlüsse stand. Fast sofort war sie wieder zurück.
»Für dich.« Ihr Gesicht schien völlig versteinert. »Wirklich bemerkenswert, dass sie jetzt schon hier anruft.«
Welf ging mit vollem Mund an den Apparat, das Gesicht gerötet. Judiths Stimme klang leise und bestimmt. »Du brauchst mir nicht zu sagen, dass ich nicht bei dir anrufen soll. Aber wir haben ein Problem. Ein richtiges Problem.«
»Bisher verstehe ich nur, dass dies ein sinnloser Anruf ist«, sagte Welf wütend, nachdem er mit Mühe den letzten Bissen Räucherlachs hinuntergewürgt hatte. »Es ist Freitagabend, ich bin jetzt bei mir zu Hause, bei meiner Frau und meinem Sohn, und da will ich auch bleiben. Also?«
»Es ist ein Problem mit Stefan. Ich kann das am Telefon nicht erklären. Du musst herkommen und es dir ansehen.«
»Warum, bitte, kann dann nicht Stefan selbst anrufen?«
»Er kann nicht, weil er es nicht kann.«
»Ist er krank? Braucht er einen Arzt?«
»Nein«, sagte Judith langsam, »einen Arzt braucht er nicht.«
»Was willst du also? Du bist bisher mit Stefan klargekommen, und es gibt keinen Grund, warum das jetzt anders sein sollte.«
»Ah ja.« Judiths Stimme klang verändert. »Jetzt verstehe ich. Na gut. Ich werde mit Stefan klarkommen. Aber dann wird es teuer für dich.« Im Hörer war plötzlich nichts mehr.
Er legte auf und ging ins Esszimmer zurück. Georgie ließ sich aus seinem Kinderstuhl gleiten, rannte auf ihn zu und klammerte sich zwischen seinen Beinen fest. Welf versuchte zu lächeln. Marie-Luise starrte auf den leeren Teller, der vor ihr stand. »Du hast Ärger, nicht wahr?«, fragte sie leise. »Du hast gemeint, du kannst sie an deinen Freund abschieben. Deinen Freund, für den deine gebrauchten Spielsachen noch immer gut genug sind.« Plötzlich schaute sie hoch. »Und nun will das Spielzeug nicht? Oder ist es der Freund, der für deine abgelegte Tussi keinen Bedarf hat? Armer Jörg. Dabei willst du doch immer nur das Beste. Das Beste für dich.«
Georgie versuchte, an Welf hochzuklettern. Er bückte sich, nahm ihn hoch und hielt ihn im Arm. »Es gibt ein Problem mit der Villa am Donauufer«, sagte er und bemühte sich, ruhig und verantwortungsvoll zu klingen. »Wenn das Hochwasser weiter steigt, könnte die Tiefgarage überflutet werden.« Womöglich kann das wirklich so passieren, ging es ihm plötzlich durch den Kopf. Jedenfalls war es sehr plausibel. Er streichelte Georgie über die wuscheligen Haare. »Aber wir können jetzt nur zuwarten. Das und nichts anderes habe ich ihr gesagt.« Er wandte sich mit Georgie zur Tür. »Ich bring ihn ins Bett. Und du kannst dir vielleicht einmal überlegen, ob wir alle es nicht etwas leichter haben könnten. Zum Beispiel dann, wenn du mir nicht überall und bei jeder Gelegenheit das Hässlichste unterstellen würdest, das dir in den Sinn kommt.«
Marie-Luise antwortete nicht. Sie sah ihm ins Gesicht, mit einem Blick, als ob sie sich vergewissern wolle, ob er womöglich auch noch glaube, was er gesagt hatte.
Judith hatte sich geduscht und über ihren Rock einen von Rodeks Pullovern angezogen, der ihr viel zu groß war und dessen Ärmel sie aufkrempeln musste. Dann
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