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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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freigesprochen worden. Bringen Sie mir neue Beweise zu seiner Täterschaft, und ich unterschreibe auf der Stelle einen Haftbefehl. Aber wo sind diese Beweise? Da ist dieser Manuel Achenbach, der vielleicht den Kanister Öl gekauft hat, mit dem vielleicht der Brandanschlag auf die Edim verübt worden ist. Sie, verehrte Kollegin, waren sicher, dass wir Achenbach mit Rodek in Verbindung bringen können. Und was haben Sie mir berichtet? Dass Rodek einmal Trainer in einem Studio war, in dem auch Achenbach Hanteln gestemmt hat. Sehr beweiskräftig. Vielleicht sind beide auch schon einmal über den Münsterplatz gelaufen.«
    Er unterbrach sich und schaute Tamar an, als ob er um Verständnis bitten wolle. »Bringen Sie mir Rodek«, fuhr er fort. »Bringen Sie mir Beweise gegen ihn. Und erst dann können wir, vielleicht, gegen Welf vorgehen. Wenn Rodek redet. Aber das hat er beim ersten Mal auch nicht getan.«
    »Sie brauchen doch gar keinen Haftbefehl gegen Rodek«, antwortete Berndorf. »Sie wollen ihn nur ausfindig machen.
Immerhin gibt es ja diesen Mordfall Veihle. Vielleicht weiß er etwas, vielleicht ist er selbst in Gefahr. Alles Gründe genug, um mit ihm zu reden.«
    »Und Welf bleibt natürlich unbehelligt, nicht wahr?«, fragte Tamar bissig.
    »Den fragen Sie einfach, ob er Rodek kennt. Sie erzählen ihm weder etwas von dem verschwundenen Justizangestellten Sander noch von der Aussage der Vera Vochezer, sondern lassen sich von ihm ins Gesicht lügen.« Berndorf machte eine Pause. »Und wenn wir wissen, wo Rodek ist und wo der Gerichtsschreiber: dann laden wir ihn noch einmal vor. Und dann wird das Gespräch vielleicht doch etwas anders verlaufen, als die Staatsanwaltschaft heute glaubt.«
    Desarts betrachtete ihn nachdenklich. »Sie sagen das so, als ob es ganz selbstverständlich eine Verbindung zwischen dieser Vergewaltigungsgeschichte, dem Verschwinden des Herrn Sander und den Brandanschlägen gebe. Ich bleibe dabei, dass mir das höchst abenteuerlich erscheint. Der Herr Sander hat sich eine Auszeit genommen, diese kleinen Unauffälligen haben es ja manchmal faustdick hinter den Ohren. Und Stefan Rodek – was machen Sie denn, wenn der schon längst nicht mehr in Ulm ist?« Er wandte sich an Tamar. »Wissen wir denn überhaupt, wohin er nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft gegangen ist?«
    Tamar wurde verlegen. »Angeblich ist er nach Stuttgart. Wir haben dort schon nach ihm suchen lassen. Das Ergebnis war negativ. Das Einzige, was uns vorliegt, ist eine Postkarte aus Straßburg. Wenn die Karte nicht getürkt ist, gibt sie ihm ein Alibi, sowohl für den Anschlag auf Berndorf wie für den Mord an Veihle.«
    »Aus Straßburg«, echote Desarts. »Schade, dass ich nie wette. Sonst würde ich eine Flasche Whisky gegen eine Schachtel Pralinen setzen, dass Rodek längst in der Fremdenlegion ist. Die nehmen so einen wie ihn doch mit Kusshand.« Für einen Augenblick trat auf seine vom Justizalltag und zu viel Magensäure gekerbten Gesichtszüge ein Ausdruck grundloser,
aber erleichterter Heiterkeit. »Glauben Sie mir, wenn Rodek etwas zu verbergen hat, dann hat er sich längst hinter französischen Kasernenmauern eingegraben.«
     
    Judith schob den letzten Hohlblockstein in die verbliebene Lücke und strich die Fugen glatt. Sie ließ die Kelle sinken und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sie schwanke, und riss die Augen wieder auf. Vorsichtig stieg sie von der Trittleiter herunter, legte die Kelle auf eine Stufe der Leiter und betrachtete die Mauer. Sie war fachmännisch hochgezogen und verfugt. Niemand würde etwas zu beanstanden haben, und niemandem würde der schmale Hohlraum fehlen, der sich hinter der Mauer verbarg. Und was sich sonst noch dahinter verbirgt, dachte sie, fehlt erst recht keinem. Beton hält dicht. War da überhaupt etwas? Nichts war da gewesen, und wenn der Fahrradkeller erst verputzt war, würde nicht einmal sie mehr etwas von einer Nische oder einem Hohlraum wissen. Der glatte weiße Verputz würde sich über ihre eigene Erinnerung legen, und das war das Beste, was dieser Erinnerung passieren konnte.
    Unversehens runzelte sie die Stirn. Würde Rodek wirklich niemandem fehlen? Plötzlich fiel ihr ein, wie sie in der Schule den Trojanischen Krieg behandelt hatten und wie merkwürdig ihr Achills Trauer um den toten Patroklos erschienen war. Würde Jörg um Rodek trauern? Das hängt davon ab, ging es ihr durch den Kopf, dass er erstens

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