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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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würde ihnen widerstehen. In wenigen Minuten würde der Spuk vorbei sein, und die Ernte harter Ausbildung und entschlossener Führung eingebracht.
    Krachend flogen die letzten Balken den Treppenschacht hinunter und schlugen dröhnend auf dem Betonboden vor Jankls Füßen auf. Das Röhren des Hubschraubers schwoll an. Über Sprechfunk meldete sich Truppführer »Römisch Eins«. Jankl hob sich das Gerät ans Ohr. Ein Schwall von Funkstörungen brach über ihn herein. Das Gerät knisterte und spuckte, als entlüden sich drei Sommergewitter über dem Haus.

    »Lastenaufzug«, verstand Jankl. Was soll das, dachte er. In seinem Rücken spürte er eine Bewegung. Jankl wollte sich umdrehen, als ihn ein kräftiger Arm von hinten packte. Ein Stück runden, harten Stahls bohrte sich in seinen Hals.
     
    Orrie fädelte sich mit dem Bus auf die Adenauerbrücke ein. Es herrschte dichter Berufsverkehr, aber Berndorf hatte sich Blaulicht und Martinshorn verbeten. »Wir müssen ihnen noch etwas Zeit lassen«, hatte er Tamar erklärt und sich in seinem Sitz zurückgelehnt. Dabei ist er gar nicht ruhig, dachte Tamar. Nicht wirklich. Ein Nadelstich, und er fährt an die Decke.
    Mit Blaulicht schoss auf der Gegenfahrbahn ein anderer polizeigrüner Bus an ihnen vorbei. »Die haben es aber eiliger als wir«, sagte Orrie und setzte den Blinker, um nach Neu-Ulm abzubiegen. »Übrigens war das ein Wagen der bayerischen Kollegen«, setzte er nach einem kurzen Seitenblick hinzu.
    »Was haben die in dieser Richtung zu suchen?«, fragte Tamar. Berndorf hatte sich aufgerichtet.
    »Jankl hat foul gespielt«, sagte er plötzlich. »Ihr werdet es sehen. Aber es ist nicht gut gegangen.«
    Wieder blinkte Blaulicht auf der Gegenfahrbahn. Zwei Streifenwagen versuchten, sich wild jaulend durch die Fahrzeugflut zu drängen. Orrie fuhr an der ersten Absperrung vorbei. Noch immer wirbelten die Räder eine Schlammflut auf. An der zweiten Absperrung standen nur noch zwei Uniformierte. Orrie hielt, Tamar und Berndorf stiegen aus und gingen auf die beiden Beamten zu.
    Berndorf grüßte und stellte sich vor. »Ich suche den Kollegen Jankl. Irgendwie scheint er nicht mehr hier zu sein.«
    »Rösner, Landespolizei-Inspektion Neu-Ulm«, antwortete der kleinere der beiden Uniformierten. »Wo der Herr Polizeirat ist, weiß hier keiner. Und wir, also wir waren auf der anderen Seite.«
    »Ja«, bestätigte der größere der beiden, »wir haben die Rückfront gesichert.« Er nahm flüchtig Haltung an. »Kubitschek, Polizeihauptmeister.«

    »Es ist nämlich so«, fuhr Rösner fort, »dass die Kollegen die Wohnung gestürmt haben. Es ist gut ausgegangen. Sie haben die Geisel befreit. Unseren Kollegen. Er lebt.«
    »Und die Geiselnehmer?«, wollte Tamar wissen.
    »Die sind weg«, sagte Kubitschek. »Und zwei neue Geiseln haben sie auch.«
    »Die Geiselnehmer hatten nämlich noch eine Frau dabei, und mit der sind sie in den Lastenaufzug und nach unten gefahren«, ergänzte Rösner. »Und dann haben sie den Herrn Polizeirat als weitere Geisel genommen und sind mit ihm und der Frau zum Wagen der Einsatzleitung.«
    »Und weg waren sie«, schaltete sich Kubitschek ein. »Wir konnten gar nichts machen. Der Herr Polizeirat hat es uns verboten. Jedenfalls haben wir ihn so verstanden.«
    »Wieso?«, fragte Tamar. »War es schwierig, ihn zu verstehen?« Rösner warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Ich weiß ja nicht, wie deutlich Sie reden, wenn Sie eine Walther hier haben.« Und er drückte sich den Zeigefinger unter das Kinn.
    »Hören Sie nicht auf ihn«, sagte Kubitschek. »Es war keine Walther. Es war eine Beretta, jedes Kind hat das erkennen können.«
     
    »Wenn das so weitergeht, kann die Mafia nächstens einen Second-Hand-Shop für gebrauchte Polizisten aufmachen«, meinte Tamar, als sie den Flur zu ihrem Büro im Neuen Bau entlanggingen. »Guter Allgemeinzustand, können lesen und telefonieren, bei strenger Führung leicht zu handhaben . . .«
    Berndorf verzog das Gesicht. Er ist nicht deshalb sauer, ging es Tamar durch den Kopf, weil es Jankl erwischt hat. Er ist sauer, weil sich Jankl nicht an die Vereinbarung gehalten hat, bis zum Abend Ruhe zu halten. Und weil die andere Seite das mitbekommen wird. Die armen Männer! Immer in Sorge, keine bella figura zu machen.
    Sie öffneten die Tür. Munter sah ihnen Kuttler entgegen. »Die bayerischen Kollegen haben also mal wieder auf ihre besondere Art zugelangt?«, fragte er zur Begrüßung.

    Berndorf blickte ihn verdrossen

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