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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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verabschiedete sich und legte auf. Dann wählte er die Nummer der Neu-Ulmer Polizei-Inspektion und ließ sich mit dem Kollegen verbinden, der anstelle des entführten Jankl die Einsatzleitung übernommen hatte.
    »Also dem Kollegen Krauser geht es so weit gut«, gab der Beamte ungefragt Auskunft. »Eine Platzwunde, ein paar Prellungen, vielleicht auch ein Schock. Wir haben ihn vorsichtshalber ins Krankenhaus gebracht . . .«
    Berndorf unterbrach ihn. »Was hat die Fahndung nach eurem Polizeibus gebracht?«
    »Unsere Leute haben den Kontakt zu dem Bus verloren«, kam es kleinlaut durch die Leitung. »Ich glaube, dass die Geiselnehmer auf dem Autobahnzubringer geblieben sind. Das heißt, sie sind jetzt Richtung Stuttgart unterwegs.«
    Berndorf dankte und legte auf. Mit Blaulicht kommt ein Polizeifahrzeug
auf der Autobahn schnell voran. Aber die Stuttgarter Landespolizeidirektion hatte bereits Hubschrauber losgeschickt. Berndorf selbst hätte nicht die Autobahn genommen. Niemals. Die Autobahn kann eine Mausefalle sein.
    Das Telefon auf seinem Schreibtisch surrte. Er nahm den Hörer ab und meldete sich.
    »Ich habe einen Gruß an Ihren Freund zu bestellen«, sagte ein Mann.
    Berndorf brauchte einen Augenblick, um die Stimme zu erkennen. Das Telefon verstärkte den Akzent. »Ihr Freund hat seinen Hund ja wieder, nicht wahr? Den Rest findet er in der Tiefgarage Rosengasse. Unten, in der untersten Ebene. Es ist noch ein Bòtolo und eine Cagna.« Am anderen Ende wurde der Hörer aufgelegt.
    Auch Berndorf legte auf. Dann sah er sich suchend auf seinem Schreibtisch um, zog schließlich die Schublade auf und nahm eine Papierschere heraus, die er sich nach kurzem Überlegen in die Brusttasche steckte. Dann stand er auf.
     
    Es war früher Abend geworden, und selbst in den oberen Parkdecks hatten sich bereits die Reihen der abgestellten Fahrzeuge gelichtet. Orrie steuerte den VW-Bus die Abfahrtskehren hinab, Tamar schien es, als habe er es nicht besonders eilig. Ab dem dritten Parkdeck war kaum ein Wagen mehr zu sehen. »Sind Sie sicher, Kollegin«, sagte Orrie plötzlich, »dass wir keine Sprengstoffexperten brauchen? Ich meine, wenn die da unten einen Wagen haben – da könnte doch auch eine Bombe drin sein statt der Geiseln?«
    Tamar sah nach hinten zu Berndorf. »Es kommt darauf an, welches Fahrzeug wir vorfinden«, antwortete er. »Wenn es der Bus der Neu-Ulmer Einsatzleitung ist, besteht keine Gefahr. Sie hätten dann keine Zeit gehabt, ihn zu präparieren.« Er überlegte kurz. »Außerdem spielen die hier nicht Palermo. Für ihr Geschäft wäre es das Dümmste, was sie tun könnten. Sie sind aber nicht dumm.«
    Der VW-Bus bog auf die unterste Ebene ein. Eine leere,
durch spärliche Neonröhren dürftig erleuchtete Fläche breitete sich unter der niedrigen Decke vor ihnen aus. Auf den weiß markierten Parkfeldern stand ein einziges Fahrzeug.
    Hinter einem Fenster des dunkelgrünen Busses gestikulierte jemand. Wer immer es war, er hatte die Hände erhoben, als ob er mit der einen Hand das Gelenk der anderen hielt.
    Berndorf stieg aus und ging auf den Bus zu. Tamar folgte ihm. Berndorf öffnete die Seitentür. Tamar überlegte, ob dies das Letzte war, was sie jemals sehen würde: zwei Busse in einem trüben leeren Parkdeck, eine Gestalt mit zusammengebundenen Händen, der gebückt und schwerfällig die Wagentür öffnende Kommissar. Und wie viel sie noch wahrnehmen würde, wenn die Bombe, beim Öffnen der Tür gezündet, explodierte. Vermutlich würde sie das Licht als Erstes sehen und noch einen Schlag spüren und danach nichts mehr.
    Wenn es so kam, hätte sie es sich selbst ausgesucht, dachte sie. Sie hatte darauf bestanden, mit Berndorf zu fahren.
    Aus dem Wagen fiel ihnen eine Frau in einem Trainingsanzug entgegen. Von ihrem Gesicht unter dem dunklen kurzen Haar sah man nicht viel mehr als das Klebeband, mit dem ihr Mund verschlossen war. Auf dem Boden bewegte sich ruckhaft eine weitere Gestalt, ein Mann, die Arme auf den Rücken gefesselt und mit den Füßen zusammengebunden.
    Berndorf zog die Papierschere aus der Brusttasche und machte sich daran, der Frau die Fesseln aufzuschneiden. Gleich schneidet er ihr in den Daumen, dachte Tamar, nahm ihm die Schere ab und durchtrennte behutsam die Schnur, mit der die Hände der Frau gefesselt waren. Die Hände und vor allem die Nagelränder waren schmutzig, und die Fingernägel abgegriffen wie die einer Bäuerin.
    Oder eines Maurers, dachte Tamar.
     
    Der Schankraum war

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