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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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das Licht ausgeht, wird es finster sein.« Der Wirt nickte. »Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen«, fuhr Berndorf fort. »Es ist eine Geschichte von einem Hund.«
    »Ich liebe Hundegeschichten«, sagte der Wirt. »Hunde sind kluge Tiere.«
    »Von dem in meiner Geschichte kann man das nicht unbedingt sagen«, meinte Berndorf. »Eigentlich handelt sie von einem ungewöhnlich dummen Hund. Er hat meinem Freund gehört, und das ganze Dorf hat gewusst, dass es niemals einen so dummen und unnützen Hund gegeben hat wie eben diesen.« Vorsichtig nahm Berndorf einen Schluck Espresso. »Der Hund war so dumm, dass er am hellichten Tag durch das Dorf gerannt ist und die Schweine gescheucht hat.«
    Tamar runzelte die Stirn. In deutschen Dörfern konnte man ihres Wissens keine Schweine scheuchen.
    »Niemand wusste, warum er das tat«, fuhr Berndorf fort. »Auch mein Freund nicht. Er nahm an, dass irgendjemand dem Hund eingeredet hat, die Schweine seien in Wahrheit Postboten. Egal. Aber eines Tages hat der Schweinezüchter
eine Stalltür offen gelassen. Und als der Hund meines Freundes hineingerannt war, hat der Schweinezüchter die Tür zugeworfen, und der Hund war gefangen. Aber irgendjemand hat es gesehen und meinem Freund erzählt. Und plötzlich ist er sehr, sehr zornig geworden.«
    Berndorf lehnte sich zurück und sah den Wirt an. »Mein Freund ist zu dem Schweinezüchter gegangen und hat ihm gesagt, der Hund, den du eingesperrt hast, ist vielleicht der dümmste und unnützeste Hund, den es jemals im Dorf gegeben hat. Aber es ist mein Hund. Und wenn er nicht auf der Stelle wieder vor meiner Haustür sitzt, dann wird sich keines von deinen Schweinen jemals mehr auf der Dorfwiese suhlen dürfen. Und du wirst niemals mehr deinen Rausch nach Hause fahren, weil dich vorher die Polizei kassiert. Und du wirst keinen einzigen winzigen Stall mehr bauen können, weil ich dafür sorgen werde, dass ihn dir die Gemeinde nicht genehmigt.« Berndorf trank seinen Espresso aus.
    »Ich nehme an, der Hund ist wieder wohlbehalten bei Ihrem Freund?«, fragte der Wirt.
    »Ich hoffe es. Ich hoffe es für den Hund, und ich hoffe es für den Schweinezüchter«, sagte Berndorf. Er holte sein Notizbuch heraus, riss einen Zettel heraus und schrieb zwei Telefonnummern darauf. Dann wandte er sich wieder an den Wirt. »Das da ist meine Nummer, und die hier gehört zu dem Handy einer jungen Frau. Die junge Frau ist zufällig in dem Stall gewesen, von dem ich Ihnen erzählt habe.« Er sah auf seine Uhr, klappte sie zu und steckte sie ein. »Noch haben wir Zeit. Aber wenn die Schweinezüchter warten, bis es dunkel ist, wird alles zu spät sein.«
    Dann bat er um die Rechnung. Der Wirt schüttelte den Kopf. »Das geht auf das Haus«, sagte er. »Aber ich habe noch eine Frage.« Berndorf sah ihn aufmerksam an.
    »Der Schweinezüchter in Ihrer Geschichte hat Ärger gehabt, sehr viel Ärger. Immer kläfft dieser Hund. Immer müssen die armen Schweine sich aufregen, aber wenn sie sich aufregen, werden sie nicht fett.«

    Der Wirt legte seine beiden Hände auf den Tisch, mit der leeren Handfläche nach oben. »Ihr Freund muss auch etwas auf den Tisch legen, finden Sie nicht?«
    Berndorf stand auf, und auch Tamar erhob sich. »Nein«, sagte Berndorf. »Mein Freund hat ihm nichts auf den Tisch gelegt. Er hat ihm einen Tipp gegeben.« Er zog seinen Mantel an und ging zur Tür. Vor dem Vorhang drehte er sich um. »Er hat ihm gesagt, er soll künftig das richtige Schwein schlachten. Das letzte Mal sei es das falsche gewesen.«
    Dann ging er. Auch Tamar nickte dem Wirt zu. Seine Augen sahen nachdenklich aus, und überrascht.
     
    Schwarz gekleidete Polizisten des Einsatzkommandos liefen gebückt das Treppenhaus hinauf. Andere folgten ihnen, die Maschinenpistolen schussbereit im Anschlag. Über dem Dachgeschoss hämmerte der Rotor von »Edelweiß 5«. Die Besatzung warf Strickleitern ab, die sich auf der Terrasse verhakten. Mit wenigen Handgriffen und Beilhieben räumte der Angriffstrupp »Römisch Eins« die Barriere aus Bauholz beiseite, die das Treppenhaus versperrte.
    Jankl rannte in die Eingangshalle, das Funksprechgerät in der Hand. Draußen an der Hauswand kletterten die Spezialisten des zweiten Angriffstrupps an den Strickleitern hoch. Sie hatten Blendgranaten dabei und würden sich durch die Fenster Zutritt verschaffen. Wie ein Uhrwerk, dachte Jankl. Perfekt ausgebildete, harte Männer, die sich blind aufeinander verlassen konnten. Nichts und niemand

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