Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
wandte sich wieder Berndorf zu. »Eine der Geiseln ist ein Kollege aus Ulm?«
    Berndorf nickte mürrisch.
    »Wir holen für euch ja gerne die Kartoffeln aus dem Feuer«, fuhr Jankl fort. »Aber ein paar Informationen wären schon hilfreich.«
    »Wir wissen selbst kaum etwas«, sagte Berndorf. »Der Kollege hat wahrscheinlich auf eigene Faust ermittelt. Und ist an die Falschen geraten.« Jankl verzog das magere Gesicht zu einem Ausdruck genusssüchtiger Anteilnahme. »Gibt es etwas, worauf wir achten sollten?« Wortlos überreichte ihm Tamar eine Mappe mit den Plänen, die sie von Welf bekommen hatte.
    »Sie wollen jetzt Ihren Zugriff machen?«, fragte Berndorf.
    »Nicht jetzt. Wir werden die Dunkelheit abwarten«, antwortete Jankl und begann, die Mappe durchzusehen. »Und danach nehmen wir sie im Doppelgriff. Über das Treppenhaus und über die Terrasse. Danke für die Unterlagen.«
    Berndorf sah ihn prüfend an. »Kann ich mich darauf verlassen? Zugriff nicht vor Einbruch der Dunkelheit?«
    Jankl blickte gekränkt zurück. »Sie trauen mir nicht. Nie trauen Sie mir.«
    Berndorf wandte sich zu Tamar. »Im Augenblick stehen wir hier nur herum. Ich muss in Ulm jemand sprechen. Bevor der Kollege wieder Häuserkampf in Stalingrad spielt.«
    Sie gingen zu dem VW-Bus zurück. Plötzlich, auf halber Strecke, blieb Tamar stehen. Vor den schlammüberzogenen Umrissen eines kleinen Autos hockte Orrie. Er hatte das Nummernschild abgewischt und notierte sich das Kennzeichen. »Einen Augenblick«, sagte er. Dann stand er auf und stapfte in seinen Gummistiefeln über die Straße.

    »Ein Alfa Spider«, sagte er und wies mit dem Daumen zurück auf das Auto. »Das Auto hab ich schon einmal gesehen.«
    »Das war die junge Frau, der Motor lief nur noch auf drei Töpfen, es war nachts, und du warst ihr Freund und Helfer«, kürzte Tamar ab. »Du hast es mir schon einmal erzählt.«
    »Ja, und sie hatte Handwerkszeug dabei wie ein Maurerpolier«, antwortete Orrie.
    »Tut mir Leid«, mischte sich Berndorf ein. »Aber Ihr müsst mich in die Stadt bringen.«
    Sie stiegen ein, und Orrie ließ den Motor an. »Zum Neuen Bau?«, wollte er wissen. »Eigentlich nicht«, antwortete Berndorf. »Setzen Sie mich am Münster ab.«
     
    Jankl sah dem VW-Bus der Ulmer Polizei nach. Für einen Augenblick wollte sich so etwas wie ein Lächeln auf seinem Gesicht einnisten. Der VW-Bus verschwand um die Kurve. Jankl sah auf die Uhr. »Mir dauert das hier zu lange«, sagte er zu dem Beamten, der neben ihm stand, einem großen stämmigen Mann. »Wir beenden das jetzt.«
    »Ich dachte, Chef, Sie haben dem Ulmer Kollegen versprochen, bis zum Abend zu warten?«, wandte der Stämmige ein.
    »Hab ich das?«, fragte Jankl zurück. »Ich kann mich nicht erinnern. Im Übrigen badet der Ulmer Kollege gern lau. Der hat nichts dagegen, wenn wir ihm die heiße Arbeit abnehmen. Der doch nicht.« Er nahm sein Funksprechgerät hoch und rief die Besatzung des Hubschraubers »Edelweiß 5«. Rauschend und quäkend meldete sich eine Stimme.
    »Hier Donau 1«, sagte Jankl. »Aktion Sturzflug beginnt.«
    Er ließ das Funksprechgerät sinken und nickte dem Mann neben ihm zu. »Stalingrad«, sagte er, »dem werd ich’s zeigen.« Aber die letzten Worte waren schon nicht mehr zu verstehen. Ratternd und dröhnend ging »Edelweiß 5« in den Sinkflug und begann, das Dachgeschoss zu umkreisen.
     
    Berndorf schob den Vorhang am Eingang der Trattoria beiseite und trat ein. Tamar folgte ihm. Tränenschwer blickte die
Madonna vom Eingang zum Damenklo auf die leeren Tische. Aus der Stereoanlage krächzte Paolo Contes »Gelato a limon«. Am Tresen stand der Wirt und spülte Gläser. Er erblickte Berndorf und verneigte sich leicht und würdig. »Die Küche ist leider noch geschlossen, Signore«, sagte er bedauernd.
    Berndorf und Tamar nahmen an einem runden Tisch Platz, der in der Nähe des Tresens stand. »Wir wollen nur einen Espresso«  – er blickte Tamar fragend an – »nein, zwei. Und für Sie bitte auch einen.«
    »Keinen Grappa?«, fragte der Wirt.
    »Nein«, sagte Berndorf. »Heute ist nicht der Tag dafür.«
    Die Espressomaschine zischte gegen Paolo Conte an. Der Wirt brachte das Tablett mit den drei Tässchen und stellte sie auf dem Tisch ab. Mit einer neuerlichen Verbeugung setzte er sich zu den beiden. Berndorf holte seine Taschenuhr hervor, zog sie auf und legte sie dann aufgeklappt auf den Tisch vor sich. »Wir haben noch Zeit, bis es dunkel wird«, sagte er. »Wenn aber

Weitere Kostenlose Bücher