Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
sagte er schließlich.
    Tamar blieb vor seinem Schreibtisch stehen. »Sie bauen einen Appartementblock am Neu-Ulmer Donauufer?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung. »Wir müssen Sie bitten, uns die Pläne zur Verfügung zu stellen.«

    »Ach ja?«, machte Welf.
    Tamar betrachtete ihn einen Augenblick. »Falls es Sie interessiert: Wir haben einen Entführungsfall. Die Täter sind Samstagnacht mit ihrem Wagen im Hochwasser stecken geblieben. Und dann haben sie sich mit ihrem Opfer in Ihren Neubau gerettet. Die Kollegen von der bayerischen Polizei wollen sie dort festnehmen. Dazu brauchen sie die Pläne.«
    Welf nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Auf einmal sieht er nach nichts mehr aus, dachte Tamar.
    »Das kann nicht sein, was Sie da sagen«, widersprach Welf. »Judith ist dort. Judith Norden. Meine Assistentin. Sie kann wegen des Hochwassers dort nicht weg. Wir haben erst vor kurzem telefoniert. Aber . . .«
    »Offenbar hat sie nichts von einem Besuch gesagt«, schnitt ihm Tamar das Wort ab. »Also wurde sie während des Anrufs bedroht. Was ist das überhaupt für eine Wohnung?«
    »Wir haben eine der Wohnungen so weit hergerichtet, dass sich Kaufinteressenten ein Bild machen können«, erklärte Welf. Dann stand er auf. Er hatte die Brille wieder aufgesetzt und wirkte plötzlich verbindlich, fast entgegenkommend. »Judith ist in dieser Wohnung. Die Leute, von denen Sie reden, können natürlich auch in einem der anderen Appartements sein. Selbstverständlich werden wir der Polizei alle Pläne zur Verfügung stellen.«
    Er überlegte. »Wenn Sie es für richtig halten, könnte ich meine Assistentin noch einmal anrufen.«
    Tamar schüttelte den Kopf. »Überlassen Sie uns das. Aber geben Sie mir die Telefonnummer.«
     
    Der Intercity kroch den Michelsberg zum Ulmer Hauptbahnhof hinab. Berndorf wartete am Ausstieg. Noch immer begriff er nicht ganz, auf was er sich eingelassen hatte.
    Nur einmal noch und nie wieder. Allein die Vorstellung, wieder an den Konferenzen teilnehmen und Englin zusehen zu müssen, bereitete ihm fast körperliche Übelkeit.
    Stopp, dachte er. Was dir Übelkeit bereitet, ist nicht Englin.
Es ist die Angst davor, sich wieder in ein Auto setzen zu müssen. Du kannst aber diesen Job nicht vom Schreibtisch aus zu Ende bringen. Es geht nicht. Du musst durch die Panik durch. Aber was heißt Panik? Du gehst am Hauptbahnhof zum Taxistand und machst die Tür von einem Wagen auf, der frei ist, und steigst ein und lässt dich zum Neuen Bau fahren, es ist überhaupt nichts dabei und du machst das mit links, ohne einen Gedanken an irgendetwas.
    Widerstrebend schlich der Intercity in den Hauptbahnhof und öffnete fauchend seine Waggontüren. Berndorf stieg mühsam aus und ging zur Treppe.
    Schlank und groß tauchte neben ihm Tamar auf. Sie ist gekommen, um dich im Genick zu packen als ihre Beute und in einen Streifenwagen zu stecken, dachte Berndorf.
    »Tag, Chef«, sagte Tamar. »Orrie wartet vor dem Bahnhof. Wir dachten, wir nehmen einen Bus der Einsatzleitung.«
     
    Die Straße, die von der Wiblinger Allee abzweigt, war abgesperrt. Hinter der Absperrung standen Polizisten mit umgehängten Maschinenpistolen. Einer von ihnen winkte Orrie durch. Der dunkelgrüne VW-Bus pflügte durch das lehmige Wasser. Nach hundert Metern kam eine weitere Sperre.
    Berndorf und Tamar, die sich im Bus Gummistiefel angezogen hatten, stiegen vorsichtig aus und stapften zu einer Gruppe Männer. Einer von ihnen beobachtete durch einen Feldstecher das Dachgeschoss eines unverputzten Neubaus. Es war ein breit hingelagertes Bauwerk, dessen obere Stockwerke zurückgesetzt waren, sodass Platz für großzügige Balkonterrassen blieb. Die Fenster waren bereits eingesetzt, aber noch mit Farbe markiert. An der Wohnung, die der Polizist mit dem Feldstecher beobachtete, waren die Jalousien heruntergelassen. Über dem ganzen Komplex kreiste ein Hubschrauber.
    Ein Mann mit hagerem Gesicht, dessen Blässe durch einen schwarzen Schnurr- und Kinnbart verstärkt wurde, kam auf Berndorf zu und tippte grüßend mit zwei Fingern an seine Uniformmütze. Auch er trug eine Schutzweste.

    »Tag, Jankl«, sagte Berndorf. »Retten Sie mal wieder das Abendland?«
    Jankl sah ihn beleidigt an. »Tut mir Leid, Berndorf, aber für Ihre Scherze habe ich keine Zeit.« Er deutete auf das Dachgeschoss. »Nach unseren Informationen sind es zwei Geiseln und zwei Geiselnehmer. Sie haben den Treppenaufgang mit Bauholz verbarrikadiert.« Er

Weitere Kostenlose Bücher