Schwemmholz
haben. Der Mann hat sich inzwischen krankschreiben lassen müssen. Klotzbach droht mit Strafanzeige wegen falscher Anschuldigung. Außerdem wird er sich an Staatssekretär Schlauff wenden.«
Was ging das eigentlich diesen Klotzbach an, überlegte Berndorf. Richtig: Der Baudezernent war gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Entsorgungsgesellschaft. Der Aufseher Brauchle war gleich zum Schmied gegangen.
Berndorf richtete seine Augen auf Englin. »Ich ermittle in einem Kapitalverbrechen. Ich glaube nicht, dass mir der Herr Klotzbach vorzuschreiben hat, wo ich wen wonach frage. Das
Weitere wollen Sie in meinem Bericht nachlesen.« Er stand auf. Ein blassblaues Auge fing ihn ein. »Sie sollten besser noch eine Sekunde bleiben«, raschelte Tautka. Berndorf blieb stehen.
»Sie haben den Vorwurf der Edim SA aufgegriffen, sie sei behindert, ja schikaniert worden«, fuhr Tautka fort. »Fakt ist, dass diese Dinge mein Dezernat ebenfalls interessieren. Und wenn auf dieser Deponie irgendetwas irregulär abgelaufen sein sollte, können das am ehesten wir nachprüfen.«
Berndorf stand noch immer. »Dann klären Sie bitte, warum Transporte der Edim SA abgewiesen wurden. Warum das in mindestens einem Fall nicht dokumentiert worden ist. Und klären Sie, wer den Herrn Brauchle – das ist der Mann, der sich krankgemeldet hat – dafür bezahlt, sich so zu verhalten, wie er es tut.«
»Sie unterstellen etwas, was erst herausgefunden werden muss«, kam es über blutleere Lippen. Es klang fast verbindlich. »Ich hatte sowieso vor, den Herrn Klotzbach aufzusuchen«, antwortete Berndorf. »Wir können das Gespräch ja gemeinsam führen.«
Englin verschaffte sich das Wort. »Was ist mit dieser Beschwerde an den Staatssekretär? Wir müssen das ernst nehmen.«
Ich weiß schon warum, dachte Berndorf. Klotzbach ist auf dem Ticket der Staatspartei verbucht. Sie wollen ihn als OB-Kandidaten aufbauen. Vom Herrn Schwager des Herrn Ministerpräsidenten ganz zu schweigen.
»Schicken Sie dem Staatssekretär eine Kopie meines Berichts«, sagte er und ging.
Am Abend hatte der Regen aufgehört, und von Westen her brachte eine leichte Brise den Geruch von Erde und Frühling in die Stadt. Auf die knospenden Bäume im Alten Friedhof war eine Horde dunkler Vögel mit schwarz schimmerndem Gefieder und grauen Schnäbeln eingefallen, vermutlich waren es Saat- und keine Übelkrähen . . .
Alles war schön an diesem einzigen Abend, ma sœur
Nachher nie wieder und nie zuvor –
Freilich: mir blieben nur mehr die großen Vögel
Die abends im dunklen Himmel Hunger haben. Barbara hatte diese Brecht-Zeilen zitiert, eines Abends, als sie sich auf dem Heidelberger Hauptbahnhof verabschiedet hatten. Immerhin hatte es ein »Nachher« gegeben.
Am Nachmittag hatte er seinen Citroën in der Tiefgarage seines Appartementblocks gelassen. Und so schritt er nun durch den Vorfrühlingsabend – ja was nun? Fürbass schritt er, das war das Wort.
In seiner Wohnung zog er als Erstes seine Schuhe aus, mit großer Erleichterung, als könne er sich mit ihnen den Staub der Polizeiakten von Füßen und Seele streifen. In der Küche richtete er sich auf einem Tablett ein Vesper mit Brot, Tomaten und Käse her.
Nach kurzem Zögern stellte er die Bierflasche, die er schon aus dem Kühlschrank geholt hatte, wieder zurück und nahm dafür eine Flasche Mineralwasser.
Er trug das Tablett ins Wohnzimmer und stellte es auf seinem Schachtisch ab. Dann schaltete er die Stehlampe und den Fernseher ein und suchte eine Nachrichtensendung. Während auf dem Bildschirm Anzugträger wichtig aus ihren Limousinen stiegen, schnitt er sich die Tomaten zurecht.
Wieder einmal schob sich das von einem Bart eingerahmte Ministergesicht auf den Bildschirm und hatte sich nichts vorzuwerfen. Die Kamera schwenkte zur nächsten Staatskarosse, Berndorf schaltete den Fernseher ab, stand auf und legte eine alte LP von Miles Davis auf. Dann ging er zu seinem Schreibtisch, holte sich den Band mit Georg Christoph Lichtenbergs Sudelblättern, setzte sich wieder, biss in das Käsebrot und begann zu lesen. Der Abend fängt ganz gut an, dachte er.
»Hass« hämmerte »Folks Zorn« über die Stereoanlage der Vorstadtkneipe. Es war die entschärfte Version, denn der Wirt
hatte ohnehin schon Ärger mit dem Ordnungsamt. In einer Ecke saßen zwei Rentner. Sie hockten immer dort. Am Stammtisch spielten vier junge Männer Karten. Wenn man sie gefragt hätte, was das für ein Spiel sei,
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