Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
schneiden.
    »Von ›nouvelle cuisine‹ hat der Wirt ja noch nichts gehört«, meinte Klotzbach und schüttelte sich eine graue Haartolle aus der Stirn. »Zum Glück nicht.« Er lachte blechern. Schief sträubte sich an seinem Hals eine blaue, rot gepunktete Fliege.
    Jakob Gföllner hatte sich getraut und einen Salatteller bestellt. Zur Strafe häufte sich ein Berg geraspelter Gelbrüben vor ihm, die in dem Deckenlicht aussahen wie aus einem Eimer voll Konservierungsstoffen herausgefischt. »Der Doktor besteht darauf«, hatte er erklärt. Sein Sohn, anderthalb oder zwei Köpfe größer als er, saß neben ihm und schaufelte die unter der Panade fasrig-weißlichen Fleischstücke in sich hinein. Nur manchmal warf er einen Blick um sich, aber seine Augen wirkten dumpf und gleichgültig, nicht – wie die des Vaters  – wachsam und jederzeit auf der Hut, ob es nicht irgendwo einen Grund gebe, beleidigt zu sein.
    »Glaubet Sie ihm net«, sagte Pfeiffle roh und deutete mit dem Messergriff auf Jakob Gföllner. »Reine Berechnung. Er denkt, die Leut werden recht mitleidig, wenn sie ihn mit seinem Salat sehen.« Ein kurzes Aufflammen trat in Gföllners kleine helle Augen, wie ein tückischer, rachsüchtiger Funke.
     
    »Ich will sehen«, sagte Tanko. Dann legte er zwei Zehnen auf den Tisch.
    Veihle zuckte mit den Achseln, fingerte nach zweien seiner Damen und zeigte sie. Tanko legte eine dritte Zehn auf den Tisch.
    »Ach, das ist mir doch zu blöd«, sagte er plötzlich und deckte seine beiden anderen Karten auf. Es waren zwei Asse.
    Auch Veihle deckte auf. »Du hast’n schönes Full-house«, brachte er heraus. »Aber vier Damen sind vier Damen.«
    »Da hast du schon Recht«, sagte Shortie langsam. »Aber was da liegt, das ist ein Siebner. Drei Damen. Und der Herzbub.«
    Veihle kniff die Augen zusammen. Für einen Augenblick dämmerte ihm, dass er jetzt besser wieder nüchtern wäre.
    »Es soll Leute geben, die als Dame einen Herzbuben haben«, fuhr Shortie fort. »Die kommen aber sonst nicht hierher.« Er sah zum Wirt hoch. Der verzog nur die Oberlippe.
    »Das is Betrug«, sagte Veihle. »Ein Trick. Ihr habt mir das« – er suchte nach dem richtigen Wort – »ausgetauscht. Das ist es. Irgendwie habt ihr das ausgetauscht.«
    Tanko beugte sich über den Tisch und sah Veihle in die Augen. »Sag das noch mal.« Seine Stimme wurde ganz sanft. »Sag Tanko, dass er betrogen hat. Sag ihm, wie er es gemacht hat.«
     
    Pfeiffle bestellte eine Runde Jägermeister und lehnte sich zufrieden zurück. Über die Brille hinweg machte sein Blick nachdenklich die Runde und blieb schließlich an Welf hängen.
    Die schiefhüftige Bedienung brachte Likörgläser.
    »Es ist so, Herr Welf«, sagte Pfeiffle, als die Kellnerin wieder gegangen war, »wir regeln das immer einvernehmlich. Bürgerschaftlich. Das Geld, das aus der Stadt kommt, bleibt in der Stadt. Aber dazu gehört, dass ein Ausgleich gefunden wird. Ein Ausgleich zwischen allen Beteiligten.«
    Welf nickte höflich mit dem Kopf.
    »Sie gehören jetzt ja auch dazu«, fuhr Pfeiffle fort. »Und wir
haben alle verstanden, dass Sie einen größeren Rahmen brauchen als Ihr Herr Schwiegervater selig. Auch der Herr Gföllner wird das verstehen.« Welf schaute zu Gföllner. Aber der blickte nur zerknittert in sein Glas.
    »Nur müssen auch Sie etwas verstehen.« Das war wieder Pfeiffle. »Sie müssen teilen. Das Teilen lernen. Hat vor Jahren der Lafontaine gesagt. War gar nicht so dumm. Zum Wohl.« Er hob das Likörglas und kippte die braune Brühe in sich hinein. Die anderen folgten. Auch Welf.
    »Ein Hennessy ist das ja nicht«, sagte Klotzbach und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Nun wandte auch er sich an Welf. »Ich erkläre Ihnen das aus der Sicht der Stadt. Bei einem so wichtigen Projekt wie der künftigen Donausporthalle hätten wir gerne die maßgeblichen Firmen mit im Boot. Auch aus politischen Gründen. Wir würden es deshalb sehr begrüßen, wenn Sie und der Herr Gföllner sich über die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft einigen könnten.«
    »Das ist eine Frage der Konditionen«, wich Welf aus.
    »Wir müssten uns halt zusammensetzen«, sagte Gföllner. Es war der erste zusammenhängende Satz, den er an diesem Abend von sich gegeben hatte. »Der Herr Welf zeigt uns seine Pläne, und dann sehen wir einmal, wer was machen kann.«
    Welf blickte verdrossen auf das Schnapsglas. Ein brauner Rest klebte ölig auf dem Boden des Glases. »Das würde bedeuten, dass ich

Weitere Kostenlose Bücher