Schwemmholz
er in euerm Luftkurort war. Dem mit der gesiebten Luft.«
»Wie der Herr Hugler?«
Der Mann sah sie misstrauisch an. »Der hat keinen Ärger mit euch. Noch nie nicht. Auf Montage ist der.«
Tamar dankte und ging wieder zu ihrem Wagen. Als sie auf die Hauptstraße einbiegen wollte, sah sie, dass am Ortseingang eine Bushaltestelle war. Sie hielt den Wagen an, stieg aus und studierte die Abfahrts- und Ankunftszeiten, die in einem kleinen Aushang verzeichnet waren.
»Einen Kaffee?«, fragte Dr. Roman Kovacz und ging zu der Kaffeemaschine, die auf einem Seitenregal zwischen Aktenstößen und Stapeln von Fachliteratur vor sich hin glomm.
»Gerne«, antwortete Berndorf und nahm im Besucherstuhl Platz. Der Blick vom zweiten Stock des Gerichtsmedizinischen Instituts fiel auf die Baumwipfel des Alten Friedhofs und weiter auf die Turmkuppeln der Pauluskirche. Kovacz reichte Berndorf einen voll gefüllten heißen Porzellanbecher. Auf dem Becher stand »Susi«, mit einem Herzchen auf dem »i«. Wenigstens etwas war, wie es sein sollte, dachte Berndorf.
»Ärger?«, fragte Kovacz.
»Den üblichen.«
»Ich dachte nur.« Kovacz, Pathologe und Gerichtsmediziner, nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. »Sie kommen wegen Veihle, Axel. Das Gericht hätte ihn vielleicht besser doch im Knast behalten.«
»Auch da kann das Leben ungesund sein.«
»Seiner Gesundheit sind Veihles letzte Stunden jedenfalls nicht besonders gut bekommen«, gab Kovacz zurück und studierte die Notizen, die vor ihm lagen. »Komisch. Bei meinen Klienten ist das irgendwie immer so.« Er trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht, denn er nahm ihn neuerdings ungesüßt. »Dieser da hat sich katzendick besäbelt. Um nicht zu sagen pudelhageldick. ›He is to lange up der Döeßke wesen‹, falls ich das richtig ausspreche.«
»Eh?«, machte Berndorf.
»Das war Lichtenberg, Ihr derzeitiger Lieblingsautor, wie Sie mir neulich sagten«, erklärte Kovacz. »Eine kleine Auswahl aus seinem Patriotischen Beitrag über den Reichtum, mit dem die deutsche Sprache den Zustand der Illuminierung beschreibt. Ich will sagen, zum Zeitpunkt seines Todes hatte unser Klient etwa 2,7 Promille Alkohol im Blut.«
»Pudelhageldick, ja?«, fragte Berndorf zweifelnd. »Der Mann war geübter Kampftrinker.«
»Nicht mehr unbedingt«, schränkte Kovacz ein. »Wenn ich das richtig sehe, hat er zuvor mehrere Monate in U-Haft verbracht.
Größere Besäufnisse sind da nicht so leicht möglich. Er war also aus der Übung. Die 2,7 Promille hat er gestern mit Sicherheit nicht so leicht weggesteckt.«
»Und die Prügel, die er sich eingefangen hat?«
Kovacz zögerte. »Nasenbein angebrochen, ein Schneidezahn eingeschlagen, Platzwunde an der Augenbraue. Nette kleine Schlägerei. Ich glaube aber, für Leute wie Axel Veihle nichts Besonderes. Er ist ja auch nicht daran gestorben.«
»Keine gezielten Misshandlungen?« Berndorf fragte, weil er bereits die Schlagzeile vom gefolterten und erdrosselten Mafia-Opfer vor sich sah. Wenn das »Tagblatt« nicht darauf kam, so doch sicher die »Bild«-Zeitung.
»Nein«, stellte Kovacz klar. »Keine gebrochenen Finger, keine Verletzungen im Genitalbereich.« Er trank noch einen Schluck. »Er ist auch nicht etwa bewusstlos geschlagen worden, damit man ihn dann erdrosseln konnte.«
Berndorf hätte jetzt fragen sollen, woher Kovacz das wisse. Das gehörte zum Ritual zwischen ihnen. Damit Kovacz sein Kaninchen aus dem Zylinder holen konnte, so klein es auch immer sein mochte. Aber heute Morgen hatte Berndorf keine Lust. »Die Leute, die ihn umgebracht haben, hatten das gar nicht nötig«, fuhr Kovacz schließlich fort. »Das waren Profis. Das heißt, es kann einer allein gewesen sein. Er tritt von hinten an Veihle heran – der ist ja betrunken genug, dass er das nicht merkt –, wirft ihm eine Nylonschnur um den Hals und zieht ruckartig zu. Wenn die Halsschlagader abgeklemmt wird, gibt das einen sehr schnellen Exitus.«
»Und das war wann?«
»Gegen ein Uhr morgens.«
Berndorf nickte. »Und die Verletzungen im Gesicht?«
»So, wie die Stirnwunde verkrustet war, hat er die Schläge vorher bezogen. Eine oder anderthalb Stunden davor.«
Berndorf fragte, ob er von Kovacz’ Apparat aus telefonieren könne. Der Pathologe schob ihm das Telefon in Griffweite. Der Kommissar wählte Tamars Anschluss im Neuen Bau. Fast sofort meldete sie sich.
Ihre Stimme klang aufgekratzt. Berndorf berichtete, was ihm Kovacz gesagt hatte.
»Es lag ja nahe,
Weitere Kostenlose Bücher