Schwemmholz
hier Monteure unterwegs. Meist kamen sie von den Stadtwerken oder von der Telekom.
Am Steuer des Lieferwagens saß Marciano. Neben ihm rauchte Varsalone, scheinbar gedankenverloren, eine seiner Brasil-Zigarren. Hinten im Lieferwagen kauerte Salvatore. Marciano und Salvatore waren ihm aus Mailand geschickt worden, waren aber Männer aus dem Süden. Varsalone arbeitete nur mit Landsleuten. Wenigstens das hat geklappt, dachte er.
»Scheißköter«, sagte Salvatore.
»Die Hunde sind nicht das Problem«, antwortete Varsalone. »Sie sind es nie. Das Problem ist die Disco.«
»Hast du alles gesehen?«, wollte Marciano wissen.
»Ich denke schon«, antwortete Varsalone. »Fahr zu!«
Marie-Luise und Georgie saßen auf dem großen Teppich im Wohnzimmer, mitten zwischen den Bauklötzen und dem Plüsch-Pandabären und der großen Giraffe. Als sein Vater in das Zimmer trat, stand Georgie auf und lief auf ihn zu und hielt sich an seinen Beinen fest.
Marie-Luise bemühte sich, Welf ein Lächeln zu zeigen. »Entschuldige, dass es nicht aufgeräumt ist«, sagte sie. »Ich hatte nicht mit dir gerechnet.«
»Das macht nichts«, sagte Welf und warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. Dann ließ er sich neben Georgie auf den Boden nieder. Der Junge kletterte ihm auf die Schultern und raufte ihm mit beiden Händen durch die Haare.
»Hat Judith heute etwas anderes vor?«
Als sie es gesagt hatte, hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. So verdarb sie ja auch Georgie den Abend. Es war ja nicht so, dass der Junge nichts mitbekam. Ganz genau merkte er es, wenn etwas nicht in Ordnung war. Nur war es nicht ihre Schuld, dass nichts mehr stimmte. Sie konnte nicht so tun, als seien sie die glückliche Familie, abends beim Spiel. Welf schien erstarrt. »Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete er schließlich. Es sollte gleichgültig klingen. »Judith
macht für ein paar Tage Urlaub am Bodensee. Mit einem Freund.« Er zögerte kurz. »Ich hab Ihnen die Schlüssel für unser Bootshaus gegeben. Es ist besser, wenn es nicht so lange leer steht.«
»Sicher«, antwortete Marie-Luise. »Wie gut, dass du mich bei all diesen Sachen gar nicht erst zu fragen brauchst.«
Welf blickte sie ratlos an. Er begriff nicht, dachte sie, dass er jedem Menschen auf der Welt den Schlüssel geben durfte. Nur nicht dieser Frau.
»Dass ich es nicht vergesse«, sagte sie. »Bei der Post war ein Brief für dich dabei. Es stand ›persönlich‹ darauf. Ich habe ihn dir auf deinen Schreibtisch gelegt.«
Sie stand auf. Das Gespräch war für sie beendet. Als ob er verstanden hätte, krabbelte Georgie von Welf herunter und sammelte Bauklötze ein. Sein Mund stand offen. »Mund zu, Georgie«, sagte sie mechanisch.
Auch Welf stand auf. »Entschuldige mich.« Er ging in die Küche, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete es. Er trank einen Schluck aus der Flasche und ging in sein Arbeitszimmer, die Bierflasche in der Hand.
Der Brief, den sie am Morgen in der Post zwischen Rechnungen und einer Einladung des Rotary Clubs zum Frühlingsfest gefunden hatte, sah aus wie ein Geschäftsbrief. Auch deshalb war ihr der Vermerk »Persönlich« im Sichtfenster aufgefallen.
Dienstag, 20. April
In der Dienstbesprechung hatte Tamar ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse vorgetragen. Sie hatte es mit fester Stimme getan. Den Namen Rodek erwähnte sie nicht. Dass die Ergebnisse äußerst dürftig waren, musste man ihr nicht auch noch anhören.
Als sie fertig war, blieb Englins Gesicht unbewegt. Tautka räusperte sich. Eines seiner Augen irrte durch den Raum und
hielt sich an Tamar fest. »Sie haben also den Fahrer, der den Unfall mit Berndorf hatte, nicht gefunden?«
»Sie meinen den Fahrer, der Berndorf angegriffen hat«, stellte Tamar klar. »Nein, wir haben ihn nicht gefunden.«
»Vielleicht ist das auch besser so«. Häme raschelte in Tautkas Stimme. »So brauchen wir vorerst nicht nachzufragen, warum Kollege Berndorf das Feuer eröffnet hat.«
»Sie wissen genau, warum er das getan hat«, schnappte Tamar. »Es gibt nichts nachzufragen. Höchstens, was Sie betrifft. Warum Sie solche Unterstellungen in die Welt setzen.«
»Ich unterstelle nichts«, gab Tautka zurück. »In der Stadt wird über die Schießerei gesprochen. Und was man zu hören bekommt, ist nicht freundlich für die Polizei.«
»Lassen wir das jetzt«, meinte Englin. Das Augenlid zuckte zweimal, als sei die Anstrengung zu groß gewesen, es ruhig zu halten. Dann kam er auf
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