Schwemmholz
runzelte die Stirn. »Etwas mehr müssten wir schon wissen, Chef.«
Blocher duckte seinen Kopf und stierte ihn an wie eine kampfbereite Bulldogge. »Mafia«, sagte er dann.
Schaffranek hatte seinen Rundgang gemacht und setzte sich nun mit einer Flasche Bier vor den Fernseher. Sein Wohnschlafzimmer lag ebenerdig und hatte ein Fenster, von dem aus er die Einfahrt und einen Teil des Innenhofs überblicken konnte. Die Hunde draußen waren unruhig, seit gestern ging das so, als diese Monteure sich herumgedrückt hatten.
Im Fernsehen kam ein Warenquiz, Schaffranek zappte weiter zu einem Tennismatch zweier Spieler, die er nicht kannte. Schließlich fand er einen Wettbewerb im Baumstammsägen. Zufrieden lehnte er sich zurück und öffnete die Bierflasche.
Draußen blaffte einer der Hunde. Einer der Baumstammsäger rutschte aus und landete mit seinem Hintern im Sägemehl. Schaffranek verzog das Gesicht. Ein Lichtschein strich über das Wohnzimmerfenster.
Schaffranek stellte die Bierflasche weg, stand auf und ging ans Fenster. Ein Lichtkegel tastete sich über den Hof. Plötzlich erfasste der Lichtkegel einen der Hunde. Es war Türk. Schaffranek sah, dass der Hund die Lefzen fletschte und in das Dunkel knurrte. Schaffranek wollte das Fenster öffnen. Aber die Fensterbank stand voll mit Kakteen. Also ging er zur Außentür und schaltete die Hofbeleuchtung an. Als er die Tür öffnete, hörte er ein dumpfes Ploppen.
Erst eines, dann ein zweites.
Er ging auf den Hof hinaus. Vor ihm lag Türk, lang hingestreckt, als ob er schliefe. Von der anderen Hofseite, wo die Baufahrzeuge geparkt waren, schnürte Ajax. Sein Fell war gesträubt. Schaffranek hörte wieder das Ploppen, und im Laufen rutschten Ajax die Vorderpfoten weg. Er jaulte auf, dann knickte auch das Hinterteil ein. »Mörder!«, schrie Schaffranek.
»Maul halten, du«, hörte er eine Stimme vom Hofeingang her. Schaffranek blickte hoch und sah zwei Männer. Sie hatten Masken über dem Gesicht, und einer von ihnen hielt ein Ding auf Schaffranek, das hässlich nach einem Gewehr aussah.
»Herkommen, du!«, sagte der Mann.
»Haben Sie das gehört, Chef?«, fragte Kübler. Er saß am Steuer des blauen Zivil-Toyotas. Der Toyota war am Straßenrand abgestellt, der Motor ausgeschaltet. Kübler versuchte, in der nur notdürftig beleuchteten Straße etwas zu erkennen. Aber er sah nur die Markierung, die »rechts vor links« anzeigte. Dann warf er einen Blick auf Blocher, der neben ihm saß. Blocher zeigte keine Reaktion.
»Ich finde, das hat verdammt nach Schüssen aus einer Waffe mit Schalldämpfer geklungen«, setzte Kübler nach. Blocher schüttelte unwillig den Kopf.
Im Funksprechgerät meldete sich Delavigne. »Alles nach Plan. Uniformierte Polizei bezieht Stellung.«
Kübler sah auf die Uhr. Es war 20.54 Uhr. Irgendjemand schrie. Der Schrei brach ab. Kübler blickte noch einmal auf Blocher. Er sitzt da, dachte Kübler, na ja wie ein Ölgötze eben.
Berndorf konnte nicht einschlafen. Das Schlafmittel, das ihm die puppenäugige Schwester angeboten hatte, wollte er nicht nehmen. Er zog seinen Morgenmantel an und humpelte zum Fahrstuhl. Die Nachtschwester wollte ihn aufhalten.
»Ich will oben ein bisschen Luft schnappen«, erklärte er. »Vielleicht kann ich dann einschlafen.« Oben auf der lang gestreckten Dachterrasse konnte man über die Stadt bis hin zum Münster blicken. Im Schein seiner Lichter sah Ulm aufgeräumt aus und mit sich selbst zufrieden.
Der Uhrzeiger rückte auf 21.20 Uhr. Kübler startete. »Okay«, sagte Blocher. Die Scheinwerfer des Toyota flammten auf. Kübler legte den Gang ein und fuhr los. Im Rückspiegel sah er, dass der Wagen des kleinen Hummayer folgte.
Mit quietschenden Reifen bog ein Lieferwagen von rechts ein. Sind die verrückt geworden, dachte Kübler. Die Zeit blieb stehen. Der Kühler des Lieferwagens stand hoch über dem Toyota. Dann lief die Zeit wieder an. Sachte bog sich die Frontseite des Lieferwagens um die Motorhaube des Toyota. Glas splitterte. Blocher flog in den Sicherheitsgurt.
Wieso nimmt der mir die Vorfahrt, dachte Kübler. Ganz klar hat er mir die genommen. Das wird teuer. Verdammt teuer wird das für den. Warum wird es da vorne so hell?
Jemand öffnete die Tür. »Alles okay mit euch?«
»Der Scheißkerl hat mir die Vorfahrt genommen«, sagte Kübler. Er blickte auf den Zweieinhalb-Zentner-Sack neben ihm. Blocher hatte ein Taschentuch in der Hand, mit dem er sich über das Gesicht gefahren war.
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