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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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dass es zu seiner Wohnung keine fünf Minuten Fahrzeit seien. Dass es keinen Grund gebe, irgendetwas zu befürchten, keine Gefahr, nirgends.
    Der Taxifahrer brauchte drei Minuten. Berndorf war schweißgebadet, als der Wagen vor seiner Wohnung hielt.
    »Ich finde, das ist eine ganz natürliche und verständliche Reaktion«, sagte Tamar. »Sie müssen die Angst ernst nehmen, die Sie erlebt haben.«
    Berndorf warf ihr einen etwas unsicheren Blick zu. Waren sie hier bei »Lämmle live«? »Ich glaube, was ich nehmen muss, ist vor allem die Straßenbahn. Vorerst.«
    Tamar schluckte kurz. Dann berichtete sie von dem Großbrand, dem Blocher’schen Debakel und der Aufarbeitung der ganzen Angelegenheit in der morgendlichen Konferenz. »Gföllners gesamter Fuhrpark und dazu seine Lagerhalle sind abgebrannt, ein Millionenschaden. Seinen Hausmeister hat man gefesselt und geknebelt in dem gestohlenen Lieferwagen gefunden, in den Blochers schnelle Truppe hineingerast war. Jetzt überlegen sie im Neuen Bau, ob sie Blochers Aktion lieber verschweigen oder als heroischen, wenn auch leider vergeblichen Einsatz dreier zufällig in der Nähe des Brandorts anwesenden Rauschgiftfahnder darstellen sollen.«
    »Von dem Mafia-Kommando hat man keine Spur?«
    »Doch. Das heißt nein«, antwortete Tamar. »Sie hatten dem kleinen Hummayer einen Revolver unters Kinn gehalten und ihm den Dienstwagen abgenommen. Den hat man heute Morgen auf dem Parkplatz am Hauptbahnhof gefunden. Leer. Und die Personenbeschreibungen sind nahezu unbrauchbar. Drei Männer von südländischem Typus, das ist alles.«
    »In den Nachrichten zitierten sie einen ungenannten Polizeisprecher, der einen Racheakt nicht ausschließen wollte. Mich hat das gewundert«, meinte Berndorf. »Genauso gut
könnten wir gleich mitteilen, dass der Ulmer Bauunternehmer Gföllner sich in einen Bandenkrieg mit der Mafia hat verstricken lassen. Der Mann ist doch erledigt.«
    Tamars Augen funkelten vergnügt. Dann kniff sie das linke Auge zu. »Englin war es. Höchstpersönlich. Er hat es so angeordnet. Wenn Sie mir noch einen Tee einschenken, erzähle ich es Ihnen.« Ach ja, dachte Berndorf, als er nach der Kanne griff. Sie will, dass ich den Gastgeber spielen kann.
    »Danke«, sagte Tamar. »Es ist nämlich so, dass sich der Wind gedreht hat. Kuttler hat es mir erklärt. Erinnern Sie sich noch an den Minister, der sich die Spende für eine Audienz beim Papst von dem Landesunternehmen bezahlen ließ, bei dem er im Aufsichtsrat sitzt? Das war sogar dem Ministerpräsidenten so peinlich, dass der fromme Mann gehen musste. Nur – der Gute ist weiterhin Chef der Staatspartei in Südwürttemberg, und dort sinnt man jetzt auf Rache. Alles klar?«
    Alles klar, dachte Berndorf. Innenstaatssekretär Schlauff kam aus Saulgau, also aus Südwürttemberg. Wenn ihn seine Parteifreunde nicht wieder für den Landtag nominierten, würde Schlauff in das ärmliche Dienstzimmer eines Polizeihauptkommissars zurückkehren müssen. Keine schöne Perspektive. Wie es sich fügte, war einer von Gföllners Geschäftspartnern der Schwager des Ministerpräsidenten. Welch günstige Gelegenheit für Schlauff, sich ohne Ansehen der Person als entschlossener Kämpfer gegen die Mafia zu profilieren. Und Englin hätte seine Großmutter als Dealerin einsperren lassen, um Polizeipräsident zu werden. »Wo hat Ihr neuer Kollege Kuttler eigentlich sein Herrschaftswissen her?«
    »Das ist auch so eine blöde Geschichte«, antwortete Tamar. »Kollege Tautka hat vorgestern wieder einen seiner Sauna-Abende für ausgewählte Kollegen gegeben. Als er dazu eingeladen hat, war Kuttler noch Englins Assistent, stand also in der Sonne von Tautkas Wohlwollen und durfte deshalb mit. Nach der Sauna gingen die Herren zu den geistigen Getränken und den politischen Gesprächen über. Kuttler hatte am nächsten Tag ziemlich Kopfweh.«

Donnerstag, 22. April
    Anklagend kroch Blochers bandagierter Schädel aus den Spalten des »Tagblatts« dem Leser ins Auge. Unter der Überschrift: »Furchtloser Rauschgiftfahnder stellt sich der Mafia in den Weg« beschrieb das »Tagblatt«, wie Hauptkommissar Blocher das Fluchtfahrzeug der Täter nach dem Brandanschlag auf den Gföllner-Bauhof gestoppt habe, und zwar unter Einsatz des eigenen Lebens. Erst am Ende des Artikels teilte das »Tagblatt« mit, dass die »drei Täter von südländischem Aussehen« leider mit einem »anderen Fahrzeug« entkommen seien.
    Berndorf legte die Zeitung weg und schaute auf

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