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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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antwortete Chefredakteur Dompfaff und blickte beifallheischend in die Runde.
    »Das Problem ist nicht, dass es für die Viagra-Generation manchmal zu eng wäre«, sagte Kugler. »Im Gegenteil.«
    Welf trank seinen Espresso und tat, als ob er nicht zugehört hätte. Unauffällig sah er zu Kaufferle hinüber. Der senkte kurz die Augenlider.
    Wenig später verabschiedeten sich die ersten Rotarier. Kaufferle hielt sich noch eine Weile an einem Glas Mineralwasser fest. Dann stand er auf und holte seinen Sommermantel.
    Welf blieb sitzen, bis Kaufferle sich den Mantel angezogen hatte. Dann folgte er ihm auf die Straße.
    »Es läuft ja alles sehr gut für Sie«, sagte Kaufferle bedächtig. »Die Sache mit der Sporthalle ist unter Dach. Hoffentlich regnet es diesmal nicht durch.«
    Welf schwieg.
    »Ich weiß, Sie finden mich lästig«, fuhr Kaufferle fort. »Aber diese Halle ist nicht von heute auf morgen gebaut. Keine Sache für Sprinter. Es ist etwas für Leute mit Ausdauer.«
    »Ja«, machte Welf.
    »Ich hoffe, dass Ihnen die Liquidität nicht ausgeht. Der Verkauf der Appartements an der Uferpromenade stagniert, wie wir leider feststellen mussten. Und am Ostbahnhof tut sich wohl auch nichts?«
    Welf blickte ihn verständnislos an. »Sie hatten mir ausdrücklich Rückendeckung für den Fall zugesagt, dass ich den Auftrag für die Großsporthalle bekomme. Ihre Hinweise auf Liquidität und ich weiß nicht was sind mir deshalb schwer nachvollziehbar.«
    Kaufferle blieb stehen. »Lassen Sie mich ganz offen zu Ihnen sprechen. Ich habe Druck von Ihnen genommen, als es um die Entscheidung für die Halle ging. Sie hätten den Druck nicht besonders gut vertragen, und ich wollte nicht, dass Sie sich verstolpern. Jetzt ist die Entscheidung da, und wir können
uns wieder kühl und nüchtern der finanziellen Situation Ihrer Firma zuwenden. Und die ist nicht gut.« Kaufferle ging langsam weiter. Als ob er dessen Hund sei, folgte ihm Welf.
    »Eigentlich ist es ganz einfach«, fuhr Kaufferle fort. »Entweder Sie mobilisieren Rücklagen. Sollten Sie keine haben, müssen wir frisches Kapital beteiligen. Dazu wäre es wichtig, dass Sie einige Positionen begradigen.« Er sah Welf an. »Es ist jetzt wirklich so weit, dass sich am Ostbahnhof etwas tun muss.«

Freitag, 14. Mai, Berlin
    »Sie verstehen das nicht«, sagte der junge Mann in dem hochgeschlossenen dunklen Anzug. »Jede Leistung hat ihren Preis. Wenn ich etwas für dich tun soll, musst du mir etwas dafür geben. Das ist ein Grundprinzip der Zivilisation.« Sie hatten im Arbeitszimmer die Spätnachrichten angesehen, abgeschirmt vom Geräusch des Smalltalk im Flur und den übrigen Räumen. In einer Magazin-Sendung war es um Millionenbeträge gegangen, die dem Verkauf eines früheren DDR-Chemiekombinats an einen französischen Ölkonzern den Weg geebnet hatten. Berndorf hatte sich törichterweise die Bemerkung erlaubt, die Berliner Republik werde an der Korruptheit ihrer politischen Klasse ersticken, noch ehe sie recht begonnen habe.
    »Was sagen Sie da!«, hatte der junge Mann protestiert, das heißt, so jung war er wohl gar nicht mehr, nach seiner beginnenden Stirnglatze zu schließen. Barbara hatte ihn als den Privatdozenten Dr. Nimmerley vorgestellt. Berndorf hielt ihn für einen der Asteroiden, die am akademischen Abendhimmel ihre Kreise auf der Suche nach einem Lehrstuhl ziehen. Vorerst hatte er sich an Berndorf angedockt.
    »Wenn Sie von einer politischen Klasse sprechen, müssten Sie erstens den Begriff Klasse und zweitens die Kriterien definieren, die sie als politische kennzeichnen«, setzte er Berndorf auseinander. »Drittens aber müssten Sie mir erklären, warum
diese Klasse – wenn es denn eine ist – nicht korrupt sein soll. Jedermann ist es.«
    »Sie sollten Ihren Party-Zynismus nicht übertreiben«, wandte Pfrontner ein und trat zu den beiden. Er war einer der Kollegen Barbaras, etwas älter als Berndorf und steckte in einem ausgebeulten karierten Jackett, zu welchem er ein gestreiftes Hemd trug. »Kein Staat erträgt es, wenn Entscheidungen von solcher Tragweite erkauft werden können.«
    »Das ist durch absolut nichts bewiesen«, widersprach Nimmerley. »Ganz im Gegenteil. Denken Sie an Samuel Pepys’ Tagebuch, England, 17. Jahrhundert, der Mann ist Beamter im Flottenamt, bereichert sich hemmungslos, während vor seiner Haustür die hungernden Seeleute betteln, die man zum Dienst gepresst und denen man den Sold gestohlen hat. Aber England steigt in jener Zeit zur

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