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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ja, seit die Fußballer um den Aufstieg mitspielen, haben wir jedes zweite Wochenende ein ausverkauftes Stadion, und die ganzen Fans, die man auseinanderhalten muss, damit sie sich nicht die Schädel einschlagen!«
    Krauser blickte unglücklich auf den rot-gelblichen Punkt, der sich knapp über Kuttlers Nasenrücken gebildet hatte. Bleiben soll er dir, dachte er. Sie würden ihn wieder in den Schichtdienst stecken, er wusste es, zurück zu den betrunkenen jungen Männern, denen man die abgerissenen Beine aus dem Straßengraben herausklauben musste, zurück zu den heulenden Ehefrauen mit Lockenwicklern und blau geschlagenen Augen. Einer wie er hatte einfach kein Glück. Er hatte ja selbst noch recherchiert, war sogar in der Trattoria gewesen,
dabei war das Essen keineswegs besonders gut gewesen, eine ausgetrocknete Seezunge hatte man ihm serviert, ihm wäre das nicht passiert, und am Nebentisch hatte ein Mensch mit einem Drei-Tage-Bart einem anderen Menschen in einem Kenzo-Anzug vorgerechnet, dass russisches Material sich nicht rechne, jedenfalls nicht gegenüber dem polnischen, und das sei auch nicht mehr so billig wie früher.
    »Ja also«, sagte Kuttler. »Ich weiß, dass Sie das verstehen. Wir brauchen gerade jetzt draußen jeden Mann . . .«
    »Aber diese Mafiosi springen doch noch alle frei herum«, wandte Krauser ein. »Dabei wissen wir, wie die Drähte laufen. Wir haben es herausgefunden, ich meine, ich war es, der es herausgefunden hat. Der Herr Polizeirat hat es mir bestätigt. Sie waren es, hat er gesagt.«
    »Das wissen wir doch alle«, antwortete Kuttler beruhigend. »Wir werden das auch an höherer Stelle berichten. Aber verstehen Sie, wir kommen im Augenblick bei der Fahndung nicht weiter, und die Überstunden bei der Schutzpolizei sind schon jetzt alarmierend angestiegen.«
     
    Die Stimme klang angespannt, aber doch so, als sei der Anrufer bemüht, jede Aufregung zu unterdrücken.
    »Frau Wegenast? Ich glaube wir kennen uns. Mein Name ist Hagenberg, Landgericht Ulm. Ich dachte, ich hätte die Nummer Ihres Kollegen Berndorf gewählt.«
    Hagenberg, dachte Tamar. Ach ja! Natürlich kannten sie sich. Tamar hatte schon wiederholt vor der Großen Strafkammer ausgesagt, deren Vorsitzender Hagenberg war. Nicht zuletzt war Hagenberg der Richter gewesen, der im Skinhead-Prozess die Arbeit der Ulmer Kriminalpolizei einer vernichtenden Kritik unterzogen hatte. Und nun wollte er Berndorf sprechen?
    »Ich kann Sie leider nicht verbinden«, sagte sie kühl. »Mein Kollege Berndorf ist krank.«
    »Eh! Ich meine, das tut mir Leid«, sagte Hagenberg. »Und wer vertritt ihn?«

    Tamar sagte es ihm. Und wiederholte ihren Namen. Schließlich kam Hagenberg zur Sache. Ein Beamter seiner Geschäftsstelle, der Justizhauptsekretär Hartmut Sander, unverheiratet, 35 Jahre alt, war seit dem Wochenende nicht mehr zur Arbeit erschienen. Es lag auch keine Nachricht von ihm vor.
    »Das ist höchst merkwürdig«, erklärte Hagenberg, »Sander ist ein ungewöhnlich gewissenhafter Mitarbeiter. Ich habe eine Kollegin zu ihm geschickt. Aber auf das Klingeln hat sich niemand gemeldet. Vor der Wohnungstür waren Zeitungen abgelegt. Eine Nachbarin hatte sie aus dem Briefkasten genommen, weil nichts mehr hineinging. Sie wusste aber nichts über den Verbleib unseres Kollegen und konnte nur sagen, dass sie ihn seit Tagen nicht mehr gesehen hatte.«
     
    In der »Walser Post« gab es ein Rinder-Carpaccio mit Frühjahrsgemüse und danach einen Vortrag des Urologen Schnittke über Aphrodisiaka und die Geschichte der erotischen Stärkungsmittel von den alten Griechen bis zur Viagra-Pille. Schnittke schloss mit einem Catull-Zitat:
    Weint – Venus und ihre Amoren und all das
Was in einem Mann nach der Lust verlangt –
Meinem Mädchen ist der Spatz verstorben
Spatz – meines Mädchens Spätzchen
den sie mehr liebte als ihre zwei Augen.
    Dann verbeugte er sich anmutig und nahm den animierten Beifall seiner Rotary-Freunde entgegen. »Wirklich hübsch«, meinte Kugler und stieß Welf in die Seite.
    »Dieses Thema muss ihn in seiner Praxis ja sehr in Atem halten.«
    Welf lächelte etwas gezwungen. Er redet über Bettgeschichten nicht gerne, dachte Kugler. Außerdem waren sie im Club eigentlich tabu.
    »Dass er schlüpfrige Gedichte auf seine Patienten vorträgt, sollte sich in der Stadt besser nicht herumsprechen«, meinte Kaufferle mürrisch und stocherte in seinem Fruchtdessert.

    »Das sollten Sie doch eigentlich nicht so eng sehen«,

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