Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
an, waren also entweder Professoren oder rechneten damit, es eines hoffentlich nicht zu fernen Tages zu werden. Gemeinsam war ihnen die Sprache, der Tonfall eines vorsätzlich kultivierten Hochdeutsch, ausgenommen bei Pfrontner, dessen bayerische Herkunft noch in der Klangfärbung durchschlug. Während die in der Unangreifbarkeit ihrer C3-oder C4-Planstellen ruhenden Professoren an einer gewissen Wurstigkeit der Sakkos kenntlich waren, steckten die jüngeren Männer zumeist in jenen dunklen Anzügen, die so aussahen, als seien sie um die Brust herum zu eng geschnitten. Bei den Frauen fiel Berndorf hingegen ein Anflug dezent großstädtischer Eleganz auf; vielleicht ein Indiz dafür, vermutete er, dass die noch gesichtslose Berliner Republik im Begriff war, sich ein großbürgerliches Dekor zuzulegen.

    Barbara trug ein dezent hochgeschlossenes, in braun-grünen Tönen schimmerndes Kleid aus Rohseide. Es steht ihr wirklich gut, dachte Berndorf zufrieden und freute sich am Anblick der über den kräftigen Hüften noch immer schmalen Taille. Allerdings hatte gerade ein langer Mensch mit vorstehenden Augen und nach vorne gebuckelten Brillengläsern Barbara in Beschlag genommen und redete auf sie ein; Berndorf fürchtete für sie, dass er eine feuchte Aussprache hatte. Fast unwillentlich schnappte er einen Teil des Gesprächs auf. Offenbar ging es um eine in München anstehende Berufung.
    »Kahlhuber hat mir vertraulich signalisiert«, sagte der vieräugige Mensch, »dass er der Berufung von Humperdank keine Steine in den Weg legen werde, in keiner Weise . . .«
    »Wie schön, dann ist ja alles klar«, meinte Barbara und wollte sich unter Hinterlassung eines entzückten Blicks von ihm ab- und Berndorf zuwenden.
    »Ja, aber warten Sie doch«, fuhr Vierauge unbeirrt fort. »Er hat mir leider auch sagen müssen, dass es in der Fakultät, vor allem aber im Kultusministerium erhebliche Widerstände gebe, die sich freilich deutlich verringern ließen, um nicht zu sagen, sie ließen sich ausräumen . . .«
    »Wenn was wäre?« In Barbaras Stimme klang Wachsamkeit auf.
    »Es ist so«, wand sich ihr Gegenüber, »der Neffe des zuständigen Ministerialdirektors würde sich gerne in Tübingen bei Grübner habilitieren, aber Grübner ist derzeit sehr zugeknöpft, eigentlich ganz und gar abweisend, es heißt, er habe private Probleme, verstehen Sie? Aus Gründen, die ich nicht vertiefen will, hat seine Ehefrau Argwohn gegen seine Assistentin gefasst, ob dies begründet ist oder nicht, weiß ich ja nun wirklich nicht, aber Grübner hat im Augenblick nur im Kopf, wie er in dieser Situation eine gewisse Entspannung herbeiführen kann, oder sollte ich besser sagen: eine Entzerrung . . .«
    »Ja?« Die Wachsamkeit in Barbaras Stimme gewann eine gewisse Schärfe.
    »Ich habe mir überlegt, liebe Kollegin, ob Sie die vakante
Stelle in Ihrem Institut der jungen Dame anbieten könnten. . .«
    Barbara setzte ein grünäugiges Lächeln auf. »Ich soll also Grübners gebrauchten Betthasen entsorgen, damit dieser im Gegenzug des Ministerialdirektors Neffen habilitiert und der Ministerialdirektor dafür wiederum Ihren Lebensabschnittspartner zum Professor macht?« Sie wandte sich Berndorf zu. »Du wirst es nicht glauben, Lieber, aber wir sind gerade mit wichtigen hochschulpolitischen Fragen beschäftigt . . .«
    »Aber nicht doch!«, rief Vierauge und betrachtete Berndorf mit unverhohlenem Abscheu. »Ein unbedeutendes personelles Problem, nichts weiter, aber die junge Dame« – er wandte sich wieder Barbara zu und entblößte seine gelblichen Zähne zu etwas, das einem Lächeln gleichsehen sollte – »ist durchaus qualifiziert . . .«
    »Wozu bitte ist sie qualifiziert?« Unversehens schien auch Barbaras Kleid schlangenhäutig zu schimmern. »Aber gewiss doch!«, fuhr sie dann fort. »Sie wird dem Herrn Kollegen Grübner eine tragfähige Unterlage bereiten, nicht wahr, aufgeschlossen für dessen Feststellungen, und sollte eine von denselben noch schwankend sein, wird sie ihm hilfreich zur Hand gehen, was gewiss öfter der Fall sein dürfte. Aber sind Sie ganz sicher, lieber Kollege, dass gerade ich solcher Handreichungen bedarf oder überhaupt einen Nutzen davon hätte?«
    Berndorf schob sich an ihr vorbei und ging zu dem Tisch mit den Getränken. Er schenkte sich ein Glas Perrier ein und humpelte weiter zu dem Balkon, dessen Sandstein-Balustrade knapp über den Laubkronen der Bäume in der Czymbalski-Allee zu schweben schien. Auf dem Balkon

Weitere Kostenlose Bücher