Schwer verliebt: Roman (German Edition)
geht.«
Genau in diesem Moment taucht Tom in der Tür zu seinem Büro auf.
»Können wir dieses Wort bitte nicht sagen«, fragt er, ganz grün im Gesicht, und hält sich am Türrahmen fest.
»Was?« Sarah wirft ihre lockigen Haare zurück. »Cheerleader ?«
»Nein«, sagt Tom. »Kopflos . Wir haben ihren Kopf. Nur nicht den Rest. O Gott. Habe ich das gerade wirklich gesagt?« Er blickt mich jämmerlich an. Von seiner durchwachten Nacht im Krankenhaus hat er dunkle Schatten unter den blutunterlaufenen Augen, und seine blonden Haare kleben unattraktiv an seiner Stirn, weil er heute früh noch keine Zeit gehabt hat, sich zu frisieren. Unter normalen Umständen würde Tom nie so ungekämmt herumlaufen. Er stellt sich mit seinen Haaren schlimmer an als ich.
»Du solltest ins Bett gehen«, sage ich zu ihm. »Sarah und ich haben hier alles im Griff.«
»Ich kann doch nicht schlafen gehen.« Tom wirft mir einen schockierten Blick zu. »In meinem Wohnheim ist ein Mädchen tot aufgefunden worden. Was für einen Eindruck würde es denn auf Jessup und die anderen machen, wenn ich einfach ins Bett ginge? Du weißt doch, dass ich noch in der Probezeit bin, und dann würden sie bestimmt denken, ich packe es nicht und …« Er schluckt.
»Geh wieder in dein Büro, schließ die Tür, und mach die Augen zu«, sage ich zu ihm. »Ich passe schon auf.«
»Ich kann nicht«, erwidert Tom. »Immer wenn ich die Augen zumache, sehe ich … sie.«
Ich brauche gar nicht erst zu fragen, was er meint. Ich verstehe ihn nur zu gut, weil es mir genauso geht.
»Hey.« Ein Kind in Kapuzenjacke mit zwei winzigen Silberringen im Nasenflügel steckt den Kopf ins Büro. »Warum ist die Cafeteria zu?«
»Defekte Gasleitung«, sagen Sarah, Tom und ich gleichzeitig.
Der Junge verzieht das Gesicht. »Muss ich etwa quer über den Campus latschen, um Frühstück zu bekommen?«
»Geh in die Mensa«, sagt Sarah rasch und hält ihm einen Essensbon hin. »Das geht auf uns.«
Das Kind blickt auf den Gutschein. »Geil «, sagt er und schlurft glücklich davon.
»Ich verstehe nicht, warum wir ihnen nicht einfach die Wahrheit sagen können«, meint Sarah, als er weg ist. »Sie finden es doch sowieso heraus.«
»Das stimmt«, erwidert Tom. »Aber wir wollen eine Panik vermeiden, schließlich läuft im Wohnheim ein psychopathischer Killer frei herum.«
»Und«, füge ich vorsichtig hinzu, »wir müssen zuerst Lindsays Eltern verständigen.«
»Ja«, sagt Tom, »genau.« Es ist komisch, einen Chef zu haben, der eigentlich nicht weiß, was er tut. Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch, Tom ist großartig.
Aber er ist nicht Rachel Walcott.
Dafür sollte ich eigentlich dankbar sein…
»Hey«, sagt Sarah. »Was ist das? Ha, ha, ha, bumm.«
Tom und ich blicken einander verständnislos an.
»Ich weiß nicht«, sage ich.
»Jemand, der sich um Kopf und Kragen lacht. Kapiert? Ha, ha, ha, bumm.« Sarah wirft uns einen verweisenden Blick zu. »Galgenhumor, Leute. Damit wir besser mit der Situation klarkommen!«
Ich werfe Tom einen Blick zu. »Wer ist bei dem Geburtstagskind?« , frage ich ihn. »Das im Krankenhaus liegt?«
»O Scheiße.« Tom wird noch eine Schattierung blasser. »Das habe ich ganz vergessen. Der Anruf kam und …«
»Du hast ihn einfach allein gelassen ?« Sarah verdreht die Augen. Sie versucht ihre Verachtung für unseren neuen Chef gar nicht erst zu verbergen. Ihrer Meinung nach hätte Dr. Jessup ihr den Posten geben sollen, obwohl sie Vollzeit-Studentin ist. Vollzeit-Studentin, deren Teilzeit-Hobby es ist, die Probleme der anderen zu analysieren. Ich zum Beispiel habe angeblich Verlassensängste, weil meine Mutter mit meinem Manager und meinem gesamten Geld nach Argentinien abgehauen ist.
Weil ich die Angelegenheit nicht so aggressiv über das Gericht verfolgt habe, wie Sarah es für richtig hält, leide ich angeblich auch an niedrigem Selbstwertgefühl und Passivität. Nach Sarahs Meinung jedenfalls.
Aber ich finde, ich habe die Wahl. Na ja, vielleicht nicht so ganz, weil ich eigentlich kein Geld habe, um vor Gericht zu gehen: Ich kann herumsitzen und Mum verbittert nachtragen,
was sie getan hat. Oder ich kann es abhaken und mein Leben leben.
Ist es denn so falsch, sich für Letzteres zu entscheiden?
Sarah scheint das zu denken. Allerdings erzählt sie mir so etwas nur, wenn sie mir nicht gerade vorhält, ich hätte einen Superman-Komplex, weil ich alle Bewohner von Fisher Hall vor Schaden beschützen möchte.
Für mich
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