Schwer verliebt: Roman (German Edition)
Tagen nichts gegessen.
»Es ist zu spät. Jetzt muss er sich selber retten. Siehst du Doug irgendwo?«
Gavin blickt sich um. Es ist so voll und so schwach beleuchtet, dass man eigentlich niemanden erkennen kann. Aber es gelingt Gavin, Doug Winer in einer Ecke am Fenster mit irgendeinem Mädchen auszumachen. Ob es Dana, das Mädchen, das an dem Morgen bei ihm war, ist, kann ich nicht erkennen. Aber auf jeden Fall hält sie Doug beschäftigt, im Moment brauche ich mir keine Sorgen zu machen, dass er den Kopf hebt und mich sieht.
»Hervorragend«, sage ich. »Und welcher ist Steve?«
Wieder blickt sich Gavin um. Er zeigt auf einen der Billardtische und sagt: »Der da, am Poolbillard. Der große Blonde.«
»Okay«, sage ich. Ich muss schreien, damit er mich versteht, weil die Musik so laut wummert. Es ist Techno-Pop, den ich eigentlich ganz gern mag. Um zu tanzen. Aber leider tanzt hier niemand. Ob es wohl nicht cool ist, auf College-Partys zu tanzen? »Wir gehen hin. Du stellst mich ihm vor, okay?«
»In Ordnung«, sagt Gavin. »Ich sage, Sie wären meine Freundin.«
Ich schüttele den Kopf. »Das glaubt er dir nie. Ich bin zu alt für dich.«
»Sie sind nicht zu alt für mich«, erklärt Gavin.
Ich knöpfe schon meinen Mantel auf und ziehe mir die Mütze vom Kopf. »Du hast mich Oma genannt.«
»Das war doch nur ein Witz«, erwidert Gavin verlegen. »Sie könnten nie im Leben meine Grandma sein. Ich meine, wie alt sind Sie überhaupt? Fünfundzwanzig?«
»Äh«, sage ich. »Ja.« Was sind schon vier Jahre? »Aber trotzdem. Sag ihm, ich sei deine Schwester.«
Gavins Ziegenbärtchen bebt empört. »Wir sehen uns überhaupt nicht ähnlich!«
»O Gott!« Langsam bekomme ich Kopfschmerzen vom Techno-Pop. Was mache ich überhaupt hier? Ich sollte zu Hause im Bett liegen, wie all die anderen Endzwanziger. Jetzt läuft gerade Letterman . Ich verpasse Letterman! Ich hänge mir den Mantel gefaltet über den Arm, weil ich nicht weiß, was ich sonst damit tun soll. Es gibt keine Garderobe, und ich traue mich nicht, ihn einfach irgendwo hinzulegen. Womöglich kotzt dann noch einer darauf! »Gut. Sag einfach, ich sei eine Freundin, die gerne ihren Bewusstseinszustand verändern möchte.«
Gavin nickt. »Okay. Aber gehen Sie bloß nicht allein mit ihm irgendwohin, wenn er fragt.«
Wider Willen fühle ich mich geschmeichelt. Ein bisschen jedenfalls. Ich drehe mir die Strähne, die aus meiner Hochfrisur gerutscht ist, um den Finger. »Meinst du, dass er das macht?«
»Steve springt auf alles, was sich bewegt«, erwidert Gavin. »Er ist ein Tier.«
Jetzt fühle ich mich nicht mehr geschmeichelt. »Na gut«, sage ich und ziehe meinen Minirock ein wenig herunter. »Dann mal los.«
Wir drängen uns durch das Gewühl zum Poolbillard, wo zwei Typen vor einem jubelnden Publikum in Größe 2 abwechselnd spielen. Wo kommen nur all diese winzigen Mädchen her? Gibt es so eine Art Insel, auf der sie gefangen gehalten und nur nachts freigelassen werden? Tagsüber sehe ich sie nämlich nie.
Dann fällt es mir ein. Die Insel ist Manhattan, und ich sehe sie deshalb tagsüber nicht, weil sie alle Praktikum bei Condé Nast machen.
Gavin wartet höflich, bis der große Typ alle sechs Kugeln unter dem anerkennenden Seufzen der 2er-Größen in das Loch in der Ecke bugsiert hat. Dann sagt er: »Steve-O.«
Der Große blickt auf, und ich erkenne Doug Winers hellblaue Augen, aber damit erschöpft sich die Ähnlichkeit auch schon. Im Gegensatz zu seinem kleinen, untersetzten Bruder ist Steve Winer lang und schlaksig, ein Basketballer neben einem Ringer. Er trägt einen schwarzen Cashmere-Pullover, dessen hochgeschobene Ärmel muskulöse Unterarme enthüllen, und eine so verwaschene Jeans, dass sie bestimmt von einem Designer stammt. Die Frisur ist so sorgfältig mit Schaumfestiger bearbeitet wie bei allen Jungens hier auf der Party, mit Ausnahme von Gavin, dessen Haare zerzaust sind, weil er sich nach dem Aufstehen tatsächlich nicht gekämmt hat.
»McGoren«, sagt Steve, und ein Lächeln breitet sich auf seinem hübschen Gesicht aus. »Lange nicht gesehen, Mann.«
Gavin schlendert an den Tisch und schüttelt die Hand, die Steve ihm entgegenstreckt. Dabei stelle ich fest, dass seine Jeans so tief auf den Hüften hängt, dass ein paar Zentimeter seines beachtlichen Waschbrettbauches zu sehen sind.
Der Anblick seines Bauchs und die Tatsache, dass unter seinem Hosenbund ein paar goldene Haarbüschel hervorlugen, geben mir den Rest. Mir
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