Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
gewissen Exklusivität.
Auf Barnes’ Klopfen kam ein hochgewachsener, ausgezehrter Mann an die Tür. Seine rotbraunen Haare waren zerwühlt, seine braunen Augen mit den herunterhängenden Lidern gerötet und wund. Er trug einen blauen Flanellbademantel, einen roten Flanellpyjama und Pantoffeln aus Schaffell
an den schmalen, blassen Füßen. Er inspizierte Barnes kurz.
»Mr. Bosworth?«
»Persönlich.«
»Würden Sie gern einen Ausweis sehen?«
»Nicht nötig. Sie sehen wie ein Cop aus.« Bosworths Lächeln war schwach. »Wie man sich in Hollywood einen Cop vorstellt.«
Barnes trat ins Haus. »Diese Jungs sind Machos und sehen gut aus.«
»Ja, aber es gibt immer einen Typ … wie soll ich es formulieren? Sie wissen schon, der Ältere mit den Ecken und Kanten, der zu viel trinkt, den Youngsters aber immer noch zeigt, wo’s langgeht.«
»Das bin ich, wie?«
»Das sind Sie. Nehmen Sie Platz. Wollen Sie einen Kaffee?«
»Hätte ich nichts gegen.« Barnes blieb stehen. »Hab ich Sie geweckt, Mr. Bosworth?«
»Eigentlich hat Minette mich geweckt. Als sie zum ersten Mal anrief, war sie hysterisch und hat mich mit ihrer Hysterie angesteckt. Ich hab ein Valium geschluckt, um mich zu beruhigen.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»Direkt nachdem sie die Nachrichten gehört hatte, vielleicht so um halb neun. Das zweite Mal war vor einer halben Stunde.«
»Worüber haben Sie beide gesprochen?«
»Sie sagte, die Cops würden mir vermutlich ein paar Fragen stellen.«
»Hat sie Ihnen sonst noch was gesagt?«
»Was beispielsweise?«
»Hat sie Ihnen Anweisungen gegeben, was Sie zu mir sagen sollen?«
»Sie hat gemeint, ich solle die Wahrheit sagen.«
»Und die Wahrheit lautet?«
Bosworth zeigte auf einen übergroßen Eichensessel mit eckiger Rückenlehne und dicken roten Polstern. »Genau das, was ich Ihnen gesagt habe. Ich war von zehn bis so um zwei Uhr morgens bei ihr.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Ich war bei ihr.« Bosworth rieb sich die Augen und gähnte. »Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«
»Haben Sie einen Partner, mit dem Sie zusammenwohnen, Mr. Bosworth?«, fragte Barnes.
Bosworth sah ihn an. »Interessant, dass Sie mich nicht fragen, ob ich eine Frau habe.«
»Mein Bruder war schwul. Wenn ich wie Hollywoods raubeiniger alter Cop aussehe, sehen Sie wie der gut aussehende, aber verlebte schwule Interior-Designer aus.«
»Set-Designer, bitte schön. Ich habe zehn Jahre in Hollywood gearbeitet. Ich gehe Kaffee holen.« Als Bosworth in der Küche verschwand, fasste Barnes die Inneneinrichtung ins Auge. Das Haus war nicht groß, aber es war schön hergerichtet. Die gesamten originalen Holzteile aus Mahagoni waren überholt worden, von der Täfelung bis hin zur Stuckumrahmung. Bleigefasste Fenster präsentierten eine herrliche Aussicht über die Bucht. Bei den Möbeln im Craftsman-Stil schien es sich um gute Reproduktionen zu handeln.
»Wie nehmen Sie Ihren?«, rief Bosworth aus der Küche.
»Mit ein bisschen Milch und Zucker.«
Bosworth kehrte mit einem Becher auf einem roten Lacktablett zurück. »Hier, bitte sehr.«
»Danke.« Barnes nahm seinen Kaffee und setzte sich hin.
»Sie haben von Ihrem Bruder in der Vergangenheitsform gesprochen. Aids?«
»Jack wurde vor zehn Jahren ermordet. Sein Tod hat mich nach Berkeley gebracht.«
»Oh Gott, das tut mir wirklich leid.«
Barnes nippte an seinem Kaffee, stellte den Becher auf das Tablett und holte sein Notizbuch und einen Stift heraus. »Wie lange kennen Sie Minette schon?«
»Wir sind seit mindestens vier Jahren in denselben Kreisen unterwegs.«
»Wie lange kennen Sie sie gut ?«
»Seit ungefähr einem Jahr. Wir haben uns im Fitness-Center gefunden. Unsere Partner arbeiten beide sehr lange. Ich bevorzuge Männer, sie bevorzugt Frauen, aber wir haben beide eine Abneigung gegen Einsamkeit. Ich bin mir sicher, dass Yves Verdacht geschöpft hat, obwohl ich bezweifle, dass er Minette in Verdacht hat. Wenn er nach Hause kommt, steht immer leckeres Essen auf dem Tisch, und das Haus ist picobello, deshalb stellt er nicht zu viele Frage.«
»Was macht Yves beruflich?«
»Er ist Patentanwalt für Micron Industries. Sie stellen hohe Anforderungen, aber er wird äußerst gut bezahlt.«
»Wo war er letzte Nacht?«
Bosworth starrte ihn an.
Barnes lächelte.
»Er hat tatsächlich zu Hause gearbeitet, Detective. Als ich ihm sagte, ich müsse eine Freundin besuchen, die in Schwierigkeiten sei, hat er kaum von seinen Papieren hochgeschaut.«
»War er
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