Schwere Wetter
diesem Metier tätig ist. Der Mann ist der Informatikpapst
schlechthin.«
»Haben Sie schon
einmal den Namen Dolf Waldow gehört?«
Tödter schüttelte
den Kopf.
»Oder Marc
Wullenweber?«
»Nein. Auch
nicht.«
Lüder überreichte
Tödter seine Karte. »Rufen Sie mich an, falls Sie weitere Informationen haben.
Oder falls man bei der ›global framework‹ einen Verdacht gegen Sie hegt.«
Tödter nickte.
Dann kehrte er zu seinem Auto zurück und fuhr davon.
Nachdenklich stieg
Lüder in seinen BMW und machte sich auf den Weg
Richtung Kiel.
SECHS
Heute war Montag,
der letzte Tag im Oktober. Lüder erinnerte sich an seine Schulzeit und die
gegen ihn verhängte Maßregelung, weil er stets den Reformationstag, den die
evangelischen Christen an diesem Tag begehen, als »Revolutionstag« bezeichnet
hatte. Seine Gedanken glitten weiter zur zweiten Bedeutung des Tages,
»Weltspartag«. Wo konnte seine Familie noch sparen, um das Dach reparieren zu
können? Und Margits Auto war auch immer noch defekt.
Lüder trank einen
Schluck Kaffee. Dann griff er mit spitzen Fingern zum Boulevardblatt. Er
lächelte, als er die große Schlagzeile las, die fast das ganze Titelblatt in
Anspruch nahm: »Oma Hilda (80) jobbt als Hure«. Darunter stand – ein wenig
kleiner: »Zu wenig Rente«.
Natürlich hätte
diese Zeitung mit einer seriösen Überschrift, die auf das Problem des
Datenmissbrauchs hinwies, nicht so viele Leser anlocken können.
Im Inneren der
Zeitung fand er keine Nachricht, die es wert gewesen wäre, darüber
nachzudenken. Die wirklichen Probleme, die die Menschen beschäftigten, ergaben
keine sensationslüsternen Schlagzeilen. Vielleicht, schloss Lüder seinen
gedanklichen Ausflug, denkt die Mehrheit überhaupt nicht darüber nach.
Er legte die
Zeitungen beiseite und versuchte, die Fachhochschule Flensburg zu erreichen. Es
dauerte eine Weile, bis er mit Frau Jensen eine Ansprechpartnerin gefunden
hatte, die sich seiner Frage annehmen wollte.
»Wollen Sie
dranbleiben?«, fragte sie.
Lüder bejahte.
Im Hintergrund
vernahm er, wie zwei Frauen sich über das vergangene Wochenende unterhielten,
über das Wetter, das leider keine Aktivitäten außer Haus zugelassen hatte, über
den bevorstehenden düsteren Monat November, der erst zum Advent wieder ein
Lichtlein verkündete. Eine der Erzählenden war Frau Jensen. Schließlich meldete
sie sich wieder.
»Hören Sie? Es tut
mir leid. Aber bei uns hat kein Jens Tödter studiert.«
»Vielleicht ist es
schon eine Weile her«, warf Lüder ein.
»Ich habe hier am
Computer nachgesehen. Dort sind alle Studierenden vermerkt, die jemals bei uns
waren. Aber Jens Tödter … Den gibt es nicht.«
Lüder bedankte
sich. Merkwürdig. Der junge Mann hatte ihm erklärt, dass er in Flensburg
angewandte Informatik studiert habe. Warum sollte er Lüder belogen haben?
Seinen Namen schien Tödter auch nicht gewechselt zu haben, zum Beispiel durch
Heirat. Vorsichtshalber prüfte Lüder auch diese Möglichkeit im Melderegister.
Jens Tödter war achtundzwanzig Jahre alt und ledig. Seit seiner Geburt war er
in St. Margarethen gemeldet. Nicht einmal während des Studiums hatte er den
Wohnort gewechselt.
Welchen
Wahrheitsgehalt sollte Lüder Tödters Informationen zumessen, wenn schon die
banale Angabe seines Studienortes falsch war?
Lüder versuchte es
an den Fachhochschulen in Heide und Wedel. Auch an der Kieler Uni kannte man
Jens Tödter nicht.
Auf einem leeren
Blatt Papier zeichnete er die Zusammenhänge zwischen den Beteiligten, die
bisher bei den Ermittlungen in Erscheinung getreten waren, auf. Welche
Beziehungen gab es zwischen der Kieler Uni, der »securus consulting« in
Büdelsdorf, dem Schwesterunternehmen in Itzehoe, dem Landeszentrum für
Datenschutz und den selbst ernannten Datenschützern von »personality
protecting«, die sich um Dolf Waldow geschart hatten?
Er stellte auch
die Verbindungen zwischen den Beteiligten her, die an mehreren Schauplätzen
auftauchten. Gab es noch mehr Kontakte, die ihm bisher verborgen geblieben
waren? Er wollte sich der gleichen Methoden wie die für Außenstehende
undurchsichtige Informationstechnologie bedienen und Bewegungsbilder erstellen.
Darüber, so hoffte er, konnte er erfahren, wer mit wem kommunizierte.
Er malte seine
Skizze noch einmal ab, erstellte eine Liste mit den Namen der Personen und ging
zum Büro des Abteilungsleiters.
»Ist er da?«,
fragte Lüder im Geschäftszimmer, das gleichzeitig als Vorzimmer diente.
Edith
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