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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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fragen. Aber ich möchte nicht, daß außer dir jemand davon erfährt.«
    »Oh«, machte Carol. »Ja, ich begreife auch, warum… Weißte, Alex, ich frag mich schon seit längerem, warum du hier draußen bei uns rumhängst. Es ist jedem klar, daß du dich mit Janey nicht gut verstehst. Und zwar nicht bloß deshalb, weil du gern mit deinem Seil rumspielst. Sondern weil du dich versteckst. Weil du irgendwas verheimlichst.«
    »Hm… ja, das stimmt«, sagte Alex. »Ich hab mich versteckt. Ich meine, weniger vor den contrabandista medicos, die ich in Nuevo Laredo abgezockt habe - irgendwie sind das schon harte Typen, aber, verdammt noch mal, denen bin ich doch scheißegal, vor der clínica wartet eine Schlange von hoffnungslosen Fällen, die länger ist als der Rio Grande. Ich hab mich vor meinem eigenen beschissenen Leben versteckt. Nicht vor meinem Leben, sondern vor dem, was ich tue, was andere Leute Leben nennen. Ich stehe mit einem Bein im Grab, Carol. Das ist nicht gelogen, ich bilde mir das nicht bloß ein. Ich kann dir nicht beweisen, was mit mir nicht stimmt, aber ich weiß, daß es die Wahrheit ist, weil ich nämlich mein Leben lang in diesem Körper gesteckt habe, und ich spür's. Es ist nicht mehr viel los mit mir. Ganz egal, was man mit mir anstellt oder wieviel Geld man für mich ausgibt oder wie viele Medikamente man in mich reinpumpt, ich glaube nicht, daß ich's bis zweiundzwanzig schaffen werde.«
    »Mein Gott, Alex.«
    »Ich verstecke mich hier bei euch, weil das… ein anderes Leben ist. Ein realeres Leben. Ich mache nicht viel für die Truppe, weil ich nicht viel tun kann, ich bin einfach zu krank und zu schwach. Aber hier bei euch bin ich einfach bloß irgend so ein Typ, ich bin kein sterbender Typ.« Er brach ab und dachte angestrengt nach. »Aber da ist noch etwas, Carol. Ich meine, so war ich am Anfang, und daran hat sich auch nichts geändert, aber ich fühle mich nicht mehr so. Weißt du was? Ich bin interessiert.«
    »Interessiert?«
    »Ja. Interessiert am F-6. An diesem großen Ding, das über unseren Köpfen schwebt. Mittlerweile glaube ich nämlich dran. Ich weiß, daß es ihn gibt! Ich weiß, daß es tatsächlich irgendwann losgehn wird! Und dann will ich dabeisein.«
    Carol nahm schwerfällig auf einem Campingstuhl Platz. Sie stützte den Kopf in die Hände. In ihre starken, faltigen Hände.
    Als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht tränenüberströmt.
    »Warum ausgerechnet ich? Warum mußtest du ausgerechnet mir erzählen, daß du sterben wirst?«
    »Tut mir leid, Carol, aber du bist die einzige, der ich hier wirklich vertraue.«
    »Weil ich ein großes, weiches Herz habe, du kleines Arschloch. Weil du genau weißt, daß du auf mir rumhacken kannst! Herrgott, dasselbe hab ich mit Leo durchgemacht. Kein Wunder, daß du ihn so schnell durchschaut hast. Zwischen euch besteht nämlich nicht der geringste Unterschied.«
    »Na ja, abgesehen davon, daß er Leute umbringt, und daß ich sterben werde! Komm schon, Carol.«
    »Wir haben niemanden umgebracht«, sagte Carol bitter. »Beim Bombenlegen geht's doch bloß darum, Sachen kaputtzumachen. Leo hat das gewußt. Mann, Leo war der beste, den wir je hatten. Daß wir Leute umlegten, kam einfach nicht vor, obwohl wir's leicht hätten tun können. Wir wollten doch bloß die Maschinerie kaputtmachen. Ein für allemal beseitigen. Diesen ganzen Mist, der unsere Welt zugrunde gerichtet hat, weißte, die Bulldozer, die Kohlegruben, die Abholzmaschinen und die Schornsteine, Goliath, das Monster, Behemoth, den Teufel. Halt das!« Sie schüttelte sich und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen. »Weil es für alles andere bereits zu spät war und weil wir genau wußten, wie es um die Welt stand… Und wenn du meinst, den Untergrund gäb's nicht mehr, also, dann irrst du dich aber! Den gibt's nämlich immer noch. Shit, nein, heute ist alles anders. Heute haben sie Macht, große Macht. Die sitzen sogar in der Regierung, das heißt, was man heute so Regierung nennt. Die haben wirkliche Macht, das ist was anderes als diese hoffnungslose Rebellenkacke mit Molotow-Cocktails und Universalschraubenschlüsseln und den beschissenen Manifesten, ich rede von wirklicher Macht, von wirklichen Plänen, von furchtbarer Macht und furchtbaren Plänen. Das sind alles Leute wie er.«
    »Tut mir leid…«
    »Aber Typen wie du… ihr jungen Leute, ihr hoffnungslosen kleinen Hosenscheißer… Ihr gewöhnt euch an alles… ja, an alles, wenn ihr bloß jung

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