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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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genug seid! Früher hätten die Leute bei dem Gedanken, an so 'ner blöden Scheiße wie TBC oder Cholera zu sterben, einen Schreikrampf gekriegt, aber ihr macht keinen Mucks, ihr macht euer kleines, privates Geheimnis draus und glotzt in die Röhre, bis ihr irgendwann in aller Stille auf eurem Sofa tot umfallt. Die Leute finden sich einfach damit ab, daß ihr Leben die Hölle ist! Die ignorieren alles und meinen, es würde immer noch schlimmer und schlimmer werden, sie wollen nichts mehr davon hören und sind bloß dankbar, daß man sie nicht in ein Umsiedlungslager steckt.«
    »Ich gebe nicht auf, Carol. Ich bitte dich bloß, mir zu helfen. Bitte hilf mir.«
    »Hör mal, ich bin kein Arzt. Ich kann das nicht. Das ist zu schrecklich, das erinnert mich zu sehr ans Lager.«
    »Carol«, krächzte er, »die Unwetterlager sind mir scheißegal. Und deine verrückten Ludditenfreunde können mich mal. Ich weiß, es war schwer damals, und ich weiß, es war schrecklich, aber da war ich gerade erst fünf Jahre alt, das ist für mich alles Geschichte, tote Geschichte. Ich lebe jetzt und hier in einem Lager, in diesem Lager, und wenn ich in einem Lager sterbe, werde ich meinen, ich hätte noch Glück gehabt! Ich werde nie eine persönliche Geschichte haben. Ich werde nicht mal das nächste Jahr schaffen! Ich will bloß diesen Brummer noch erleben, um mehr bitte ich dich gar nicht!« Er stützte sich schwer auf den Tisch. »Offen gesagt, hoffe ich sogar, daß ich den F-6 nicht überleben werde. Die Vorstellung gefällt mir irgendwie, das ist es wert und erspart allen eine Menge Ärger. Und wenn du mir jetzt hilfst, dann werd ich's vielleicht noch erleben, solange ich aufrecht stehen kann, dann werd ich möglicherweise noch als menschliches Wesen gelten, während ich damit beschäftigt bin, mich umbringen zu lassen. Würdest du mir bitte helfen, Carol? Bitte!«
    »Also gut. Hör auf zu flennen.«
    »Du hast damit angefangen.«
    »Ja, ich bin blöd.« Sie stand auf. »Ich heule. Ich habe ein loses Mundwerk, ich kann nichts für mich behalten, nur deshalb hänge ich hier am Arsch der Welt herum, anstatt irgendwo in einer Stadt ein richtiges Leben zu führen, wo irgendein gutaussehender Bulle mir alles aus der Nase ziehen, meine alten Freunde aus ihren Eigentumswohnungen zerren und sie wegen Terrorismus und Sabotage drankriegen könnte. Ich bin halt der geborene Arsch, ein richtiger Verlierer.« Sie seufzte. »Hör mal, wenn's unbedingt sein muß, dann sollten wir's rasch hinter uns bringen, bevor uns jemand sieht, denn das ist was richtig Perverses, was du da von mir verlangst, und Greg kann verdammt eifersüchtig werden.«
    »Okay. Du hast recht. Schon kapiert. Vielen Dank auch.« Alex wischte sich mit dem Ärmel die Augen trocken.
    »Und ich möchte, daß du mir etwas versprichst, Pillenfreak. Ich will, daß du aufhörst, auf deiner Schwester rumzuhacken. Sie hat es nicht nötig, sich von einem verdammten Idioten wie dir fertigmachen zu lassen, sie ist ein guter Mensch, sie hat ein reines Gewissen, und sie meint es gut.«
    »Vielleicht«, sagte Alex. »Als wir noch Kinder waren, hat sie mich immer verprügelt. Ich hab noch ein Video, auf dem sie mich mit einem Kissen zu ersticken versucht.«
    »Was?«
    »Ich war drei, sie war acht. Ich hab damals viel gehustet. Ich glaube, das ist ihr auf die Nerven gegangen.«
    Carol fixierte ihn eine Weile, dann rieb sie sich mit den Daumen über die geröteten Augen. »Also, dann mußt du ihr das halt verzeihen.«
    »Ich verzeihe ihr, Carol. Klar. Um deinetwillen.« Alex kletterte auf die Werkbank und legte sich flach auf den Rücken. Er holte einen dünnen, transparenten Schlauch und ein flaches Döschen mit anästhesierender Paste aus der Tasche seiner Jeans. »Hier, nimm das und schraub das auf das Ventil am Kanister.«
    »Wow, der ist aber heiß.«
    »Ja, hab ihn heute in der prallen Sonne stehen lassen, damit er auf Bluttemperatur kommt.«
    »Ich kann's einfach nicht glauben, daß wir das tun.«
    »So geht das schon mein ganzes Leben lang.« Alex legte den Kopf zurück und übte, seinen Schlund zu entspannen. »Hast du eine Ahnung, wie sehr sie sich mit Jerry eingelassen hat? In finanzieller Hinsicht, meine ich?«
    »Ich glaube, er hat sie ziemlich ausgenommen, Alex. Ohne es zu wollen, denn das einzige, was ihn interessiert, ist eben Stürme jagen.«
    »Also, erzähl's keinem weiter. Aber ich hab Juanita zu meiner Alleinerbin gemacht. Ich glaube, das würde der Truppe ein Stück

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