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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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meine, stell dir einen Tornado vor… und kipp ihn dann auf die Seite und verbinde die Spitze mit dem Oberteil, als würde sich eine Schlange in den eigenen Schwanz beißen… Dann bekommt man einen großen Ring, einen Torus. Und der saugt von unten und von außerhalb des Rings Luft an und stößt sie oben und an den Seiten wieder aus, und er ist stabil. Und er wird solange größer, bis sich die Wärme und die Feuchtigkeit vollständig abgebaut haben.«
    »Was bedeutet das nun genau?«
    Tränen strömten Jane über die Wangen. »Ich glaube, das bedeutet, daß meine Freunde alle tot sind.«
    »Und daß Oklahoma City endgültig im Eimer ist«, setzte Rosina hinzu.
    »Mega«, meinte der Scharlachrote Rächer.
    Oklahoma City zeichnete ihren Untergang systematisch auf. Jane wußte sogleich, daß auf dem Bildschirm Geschichte geschrieben wurde, eine seltsame und intensive Art von Geschichte. So als rezitierte ein alter, römischer Poet seine eigene Autobiographie, während er sich im Bad die Pulsadern aufschlitzte.
    Beim Zusammentreffen mit dem inzwischen zu voller Wucht erstarkten F-6 explodierte Oklahoma City über Fernsehen, Straßenzug um Straßenzug. Es wurde aufgesaugt, auseinanderklaubt und zerschmettert. Verstärkte Hochhäuser wurden als Ganzes aus dem Boden gezogen, als pflückte jemand Mohrrüben aus dem Erdboden. Es waren sehr harte und starke Gebäude, und wenn sie umkippten und umherzurollen begannen, ergoß sich ihr Inhalt in einem Gemenge aus Glas, Müll und Nebel durch die Fenster. Die umkippenden Hochhäuser rissen große Straßenstücke mit sich, und wenn der Wind unter die Straße gelangte, schossen alle möglichen Sachen empor. Unter der Erde von Oklahoma City war eine Menge Platz, eine Menge Platz mit vielen Menschen darin, und wenn der Wind in diese langgestreckten Schutzräume geriet, blies er hinein wie in eine Flöte. Kanaldeckel wehten durch die Straßen, und aus dem Pflaster schossen Walfontänen aus Dampf, und dann schien ein ganzer Walrumpf unter der Straße aufzutauchen, denn ein weiteres Hochhaus kippte langsam um, und das riß die Straße mitsamt seinen Internetverbindungen und unzerstörbaren Wasserleitungen aus Keramik und den Fußgängerunterführungen aus Beton auf.
    Und irgend jemand setzte seine Vision zusammen, montierte sie mit Bedacht. Irgend jemand hatte den Bildschirm in facettenartige Minibildschirme unterteilt: Verkehrsüberwachungskameras und Gebäudeüberwachungskameras und Minibankkameras und all die anderen modernen städtischen Sicherheitskameras, die jetzt aber auch nicht mehr die geringste Sicherheit boten. Und wenn die Kameras dunkel wurden, wenn sie zerschmettert und zerfetzt wurden, explodierten und blind wurden, ersetzte sie irgend jemand durch andere Blickwinkel.
    Einer zeigte auf einmal die Truppe. Jerry war zu sehen, wie er den Rücken halb der Kamera zuwandte und sich dem tosenden Wind entgegenstemmte. Er schrie etwas und winkte. Es war das Truppen-Camp, und sämtliche Papierjurten waren zerrissen und zerfetzt und flatterten im Wind. Jerry wandte sich auf einmal der Kamera zu und hielt einen Ornithopter mit kaputten Flügeln hoch, und sein Gesicht leuchtete vor Begreifen und Entsetzen.
    Und dann verschwand er.
    Es wirkte nicht so, als ob ein Gerät die Blickwinkel auswählte, vielmehr hatte Jane den Eindruck, irgend jemand erledigte das von Hand. Daß menschliche Arroganz dies zusammensetzte, daß irgendwelche Angestellten all dies vorsätzlich, rasch und energisch mit ihren geschäftigen Fingerspitzen zusammenstellten. Im vollen Bewußtsein, daß sie im Dienst sterben würden.
    Auf einmal überwältigte sie der Jammer und das Leid dieser gewaltigen Katastrophe, bohrte sich durch das geschäftige Dickicht des Interfaces unmittelbar in ihr Innerstes. Sie spürte, wie der Schmerz in ihr explodierte. Und mit größerer Klarheit als je zuvor dachte sie, daß sie, falls sie jemals diesem Bunker und diesen Menschen des Abgrunds entkommen sollte, lernen würde, etwas anderes zu lieben. Etwas Neues. Etwas, dessen rotierender Kern nicht nach Katastrophe, Zerstörung und Verzweiflung stank.
    Dann verblaßte das Bild.
    »Übertragung wieder abgebrochen«, sagte Red. »Ich wette, diesmal hat es die Hauptmasten an der Britton Road erwischt - wer hält dagegen?«
    »Das war großartig«, meinte Rosina anerkennend. »Ich kann's gar nicht erwarten, bis das Material endgültig bearbeitet wird und als CD rauskommt.«
    Red durchkämmte die Kanäle. »SESAME ist immer noch auf

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